Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0428

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
424

Kapitel 10

Bloch ein, daß es bereits einen Adel gegeben habe, bevor eine chevalerie in Frank-
reich und die Ministerialität in Deutschland entstand^. Der Adel sei älter als das
Rittertum; das Rittertum als Lebensform habe zur Integration niederer Schichten
geführt. Der Kontext dieses Modells war in Deutschland die Adelsherrschaftstheo-
rie, in deren Rahmen der Nachweis biologischer Kontinuitäten eine zentrale Rolle
spielte und, was noch entscheidender war, eine andere Definition von Adel ver-
wendet wurde, in der Abstammung und Herrschaft als zentrale Kriterien verwen-
det wurden, während die Frage der rechtlichen Abgrenzung kaum mehr eine Rol-
le spielte.
Auch in Deutschland war man sich allerdings uneinig über die beiden zentra-
len Probleme. Sozialgeschichtlich betrachtet sprach man entweder von der Annä-
herung bzw. der zumindest zeitweiligen Verschmelzung zweier Schichten zu ei-
nem „Stand" oder aber auch nur von einer neuen sozialen Terminologie vor einem
veränderten geistesgeschichtlichen Hintergrund, ohne daß damit sonderlich gra-
vierende soziale Folgen verbunden gewesen wären. Unklar ist auch, wie man die
Herkunft der spezifisch ritterlichen Werte und Normen beschreiben soll. Kamen
Werte und Normen der Lebensform, mithin also wesentliche Elemente der hö-
fisch-ritterlichen Kultur „von unten", von der Ministerialität, oder „von oben",
vom alten Adel bzw. von der Königsethik, oder „von außen", von der Kirche? Im
Zusammenhang damit steht die Frage, ob ein alter Adel die Werte einer aufstei-
genden Schicht übernahm oder diese Schicht gerade durch Angleichung an die
Lebensform des alten Adels sozial aufstieg.
Joachim Bumke untersuchte die Geschichte des deutschen Wortes Ritter in Bi-
belübersetzungen und Ritterromanen. Zunächst sei dieser Begriff für Ministerialen
und Dienstleute verwendet worden, erst seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts
auch für hohe Adlige und Könige. Ritter habe man also zuerst jene genannt, „auf
die es nicht ankommt"A Eine „ständisch aussondernde Wirkung" habe der Begriff
nicht besessen, demnach wollte Bumke auch überhaupt nicht von einem Rit-
ter„stand" sprechen. Die Geschichte des Wortes Ritter sei die Geschichte des Auf-
stiegs eines Wortes und lasse keine Schlüsse auf soziale Entwicklungen zu. Ähnli-
ches gelte für die Geschichte des Begriffs mzLs: Er sei zunächst allgemein für Krie-
ger, dann für Vasallen und seit dem 12. Jahrhundert schließlich vereinzelt auch für
hohe Adlige verwendet worden. In Urkunden seien die Angehörigen des hohen
Adels allerdings nicht als zzzz'iz'Us bezeichnet worden, da in diesen Quellen Rechts-
fragen im Vordergrund standen. Ritter sei (zumindest sehr lange) eine Berufsbe-
zeichnung gewesen und keine soziale Kategorie. Demgemäß äußerte Bumke auch
eine gewisse Skepsis im Hinblick auf die These vom umfassenden sozialen Auf-
stieg der Ministerialität. Es könne für keinen der bedeutenden Reichsministerialen

28 Vgl. TELLENBACH, Germanen, S. 270.
29 BUMKE, Studien, S. 38; vgl. auch DERS., Höfische Kultur, Bd. 1, S. 64-71.
 
Annotationen