Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0439

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rittertum

435

neue, „strengere" Auffassung von Rittertum setzte sich wegen der Bemühungen
der Könige durch, die „Hoheit" über den Ritterstand in Anspruch zu nehmen.
Die Grundzüge dieser Datierung haben sich weitgehend durchgesetzt. Un-
problematisch sind sie allerdings nicht. Otto las die Bestimmungen von 1152 und
1183 selbstverständlich als „Reichsgesetze". Die Frage, ob der König überhaupt
soziale Entwicklungen steuern konnte oder gar wollte, stellte er sich ebensowenig
wie die Frage, ob denn die feinen Unterschiede zwischen Waffenbesitz und Waf-
fentragen oder die Unterscheidung zwischen „echten" Rittern und Rittern in statu
nascendi tatsächlich auf zeitgenössische Überlegungen zurückgeführt werden
können.
Fleckenstein jedenfalls folgte Ottos Ausführungen über den Zeitpunkt^. Der
europäische Kontext zeige, daß der Abschluß des Ritterstandes in der ersten Hälfte
des 13. Jahrhunderts stattgefunden habe. Als sozialgeschichtlich relevante Folge
betrachtete Fleckenstein die Spaltung des Ritterstandes in den hohen und den
niederen Adel. Werner Paravicini schlug allerdings eine andere Periodisierung
vorA Um 1200 habe sich die Auffassung durchgesetzt, daß nur noch der Ritterbür-
tige Ritter werden solle; die Ritterschaft sei ein Berufsstand geworden, der als ordo
mzüHns in den Quellen erscheine. Um 1300 könne man von der Verwandlung in
einen Geburtsstand Qgmis tm'üHrg) sprechen, da die Erhebung zum Ritter nicht
mehr nötig war. Offensichtlich verwendet Paravicini andere Definitionskriterien
von „Berufsstand" und „Geburtsstand". Immerhin war man sich im Hinblick auf
die Praxis in der Forschung schon immer darüber einig, daß die Standesgrenze
zwischen Rittern und „Nicht-Rittern" de facto durchlässig warA
Außerordentlich kontrovers diskutiert worden ist die Frage, ob man denn
überhaupt von einem Ritter„stand" sprechen könne. Johanna Maria van Winter
meinte, daß die Trennung in Stände geblieben sei, hatte dabei aber offensichtlich
allein den rechtlichen Aspekt im AugeA Joachim Bumke sah im Ritterstand einen
„rein literarischen Begriff", der keine festen sozialen Grenzen bezeichne. Die Quel-
lenbegriffe ordo g^Mgsfn's, pngiMforgs usw. seien „nur Theorie"^. Noch weiter ging
Hans Georg Reuter: Begriffe dieser Art hätten im Mittelalter „je nach Gebrauch
nicht identische Personen" und „unterschiedliche konkrete Einheiten" gekenn-
zeichnet^. Reuter wollte zeigen, daß „der Ritterstand" nicht als Träger der mittel-
alterlichen Literatur betrachtet werden könne, da er als konkrete Einheit gar nicht
existierte. Der Begriff sei eine Wortprägung der Romantik mit Wurzeln im 17. und

80 Vgl. FLECKENSTEIN, Problem der Abschließung.
81 Vgl. PARAVICINI, Kultur, S. 22.
82 Vgl. nur FLECKENSTEIN, Zum Problem; DERS., Problem der Abschließung, S. 373ff.; RÖSENER, Bauer, S.
681ff.
83 Vgl. VAN WINTER, Rittertum, S. 20ff.
84 Vgl. BUMKE, Studien; S. 130-148; DERS., Höfische Kultur, Bd. 1, S. 64-71.
85 Vgl. H.G. REUTER, Lehre, S. 112.
 
Annotationen