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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0470

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466

Kapitel 11

standen werden, die Herrschaft aus eigenem Recht ausübten^. Da die adlige
„Mitwirkung" an der Regierung als Teil lehnrechtlicher Verpflichtungen schon im
frühen Mittelalter ein zentraler Bestandteil der Verfassung war und es wenig Sinn
ergeben hätte, die Anfänge der ständischen Bewegung bereits in dieser Zeit zu
suchen, rückte für die neuere Forschung der Zeitpunkt der Entstehung der ständi-
schen Bewegung weit ins Spätmittelalter.
Insbesondere die personengeschichtlichen Untersuchungen von Peter Moraw
eröffneten daher neue Perspektiven. Der Adel erscheint nicht zuletzt als mit dem
Hof des Herrn verbunden. Der Hofrat, vor allem in seiner erweiterten Form, wird
als Vorform der Adelskurie(n) betrachtet^. Demnach sind Hof und Herr Aus-
gangspunkte der Ständebildung. Das Lehnswesen sei (abgesehen von einigen
Gebieten im Osten) als das entscheidende Binde- und Ordnungsmittel betrachtet
worden. Für die Stellung des einzelnen Adligen sei der Zugang zum Hof wichtig
gewesen. In dieser Perspektive tritt das Element der persönlichen Beziehung(en) in
den Vordergrund, und daraus ergibt sich wiederum, daß man die Konstituierung
von politischen Ständen als „horizontale" Gruppen zeitlich eher spät ansetzt. Die
Annahme von Kontinuitäten zu hochmittelalterlichen Landdingen, ycnendM piacz'h?
oder Stammesversammlungen wird heute weitgehend abgelehnPk Als politischer
Stand trat der Adel dem Landesherrn also spät gegenüber; der persönliche Rang
und der persönliche Zugang zum Hof waren noch lange wichtiger als die Zugehö-
rigkeit zu einer Kurie. Wenn demnach die Beziehungen noch lange individueller
Art waren, dann erscheint das Verhältnis zwischen dem Landesherrn und den
„Landständen" keineswegs von Beginn an als dualistisch, sondern lange als ein
Kooperationsverhältnis. Der Konsens sei nicht so entscheidend gewesen wie Treue
und Abhängigkeitsverhältnisse; Landstände waren demnach auch ein wichtiges
Instrument zur Integration des Adels im entstehenden Land. In dieser Sicht sind
nicht rechtliche Regelungen das entscheidende Definitionskriterium, sondern die
Stabilität von Verhaltens-, Handlungs- und Denkweisen. Periodizität und Gleich-
förmigkeit, dauernde und dauerhafte Mitwirkung an der Politik hätten überhaupt
erst zur Entstehung von rechtlichen Regelungen geführt. Moraw unterscheidet
demnach zwischen Mithandeln, Konsens und Anwesenheit auf Gerichtstagen als
Teil der „Hofgeschichte" und einer „Ständegeschichte", die mit dem korporativen
Zusammenschluß von Adligen und Lorderungen an den Landesherrn begann^.
In dieser Perspektive erscheinen die klassischen Abkommen zwischen Landes-
fürst und Adel, die zuerst für Bayern nachzuweisen sind (1293 Vilshofener Ver-
trag, 1302 Schneitbacher Urkunde, 1311 Ottonische Handfeste) lediglich als Indika-
toren für den Beginn einer Entwicklung und nicht mehr, wie etwa Bosl für den

84 Vgl. E. SCHUBERT, Herrschaft, S. 105; WlLLOWElT, Fürst, S. 9.
85 Vgl. MORAW, Stand, S. 249ff.
86 Vgl. E. SCHUBERT, Herrschaft, S. 94.
87 Vgl. MORAW, Stand, S. 251-255.
 
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