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Hechberger, Werner
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0539
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12. Schlußbemerkung

Die Geschichte der Erforschung des Adels im fränkischen und im ostfränkisch-
deutschen Reich des Mittelalters legt mehrere Hypothesen nahe, die vielleicht
recht typisch für einige allgemeine Eigenheiten der Wissenschaftsgeschichte sind.
Offensichtlich ist es nicht möglich, eine solche Geschichte als linearen Prozeß zu
verstehen, in dem gewissermaßen kumulativ Erkenntnisse gewonnen werden.
Dies zeigt allein schon die Feststellung, daß Thesen und Theorien zu bestimmten
Einzelthemen zeitweise aus der Diskussion verschwinden, dann aber wieder zu-
rückkehren. Dies gilt für ein erstaunlich breites Spektrum an Themen, das - um
nur wenige Beispiele herauszugreifen - von der Frage nach der Grundlage adliger
Herrschaft über die Rolle der Ministerialität bei der Entstehung der hochmittelal-
terlichen Kommune oder der höfischen Kultur, die Einflüsse der Kirche auf das
Rittertum, den Beginn adligen Burgenbaus, die Wurzeln der Eandgrafschaften
oder das Verhältnis zwischen Adel und Stadt im späten Mittelalter bis hin zu der
ausgesprochen konkreten Frage reicht, wann das erste Turnier in Deutschland
stattgefunden hat. Einige dieser Fälle zeigen sogar, daß sich Verschwinden und
Wiederaufleben von Thesen und Theorien mehrfach wiederholen können. Diese
Feststellung ist keineswegs völlig neu, doch ist es durchaus überraschend, daß
dieses Phänomen nicht etwa nur für Ausnahmen gilt, die man durch ein „vorü-
bergehendes Ab weichen" vom Gang der Forschung erklären könnte - offensicht-
lich handelt es sich dabei um den Normalfall.
Daraus folgt, daß die Entwicklung der Wissenschaft nicht hinreichend und
vielleicht nicht einmal zutreffend zu beschreiben ist mit dem Verweis auf zuneh-
mende Quellenkenntnisse der Forschung. Die „Erschließung" neuer Quellen führt
im Normalfall nicht dazu, daß Forschungsprobleme „gelöst" werden. Gerade die
wichtigsten Themen zeigen dies. So wäre es im Hinblick auf die Frage nach Exi-
stenz und Rolle eines Adels in der frühen fränkischen Zeit höchst unangemessen,
Historikern wie Georg Waitz oder Julius Ficker unzureichende Kenntnis der Quel-
len vorzuwerfen oder zu konstatieren, die für die Fragestellung relevante Quel-
lenbasis sei im 20. Jahrhundert so erweitert worden, daß alte Kontroversen gelöst
werden konnten. Gerade mit dem Voranschreiten der mittelalterlichen Archäolo-
gie hat sich das Spektrum an Antwortmöglichkeiten auf diese Frage erweitert,
nicht etwa verkleinert.
Offensichtlich liegt hier ein theoretisches Problem vor. Geschichtswissenschaft
wird gewöhnlich beschrieben als methodisch kontrollierte Arbeit mit Quellen, die
zu Einzelstudien führt, deren Kombination ein Gesamtbild ergibt. Peter Moraw
hat völlig mit Recht betont, daß die Quellenkritik „unverrückbare Grundlage aller
 
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