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Schwedler, Gerald
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0392

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388

Teil 2: Abläufe und Formen von Herrschertreffen

als übertriebenen Pomp.'" Nicht ohne ironischen Unterton unterstellt er dem
englischen König, durch den Aufwand sich als König der Welt darstellen zu
wollen: Sz'/hrgrd yhz'cfgs cg jonh par hü gf sgs yrmces AnyUz's, gzwzs pozrzpgs gf
Izolzarzs cozrzzrzg sg ^züsgnfgzzzgzzf dgzzsf gsüT roy dg fozzf lg morzdg.'^

2.2.4. Anfang und Ende: Der Kuss
»Wenn Könige freundschaftlich Zusammentreffen, küssen sie einander [...].«^°
beurteilte Heinrich Fichtenau die Praxis der Herrscherbegegnungen im
10. Jahrhundert.'"' Dagegen sind bei vielen Treffen von Königen im Spätmit-
telalter Küsse nicht mehr nachweisbar, also ist davon auszugehen, dass bei
offiziellen Anlässen zunehmend auf diese Begrüßungs- und Abschiedsgeste
verzichtet wurde. Zumindest was die Darstellung in schriftlichen Quellen be-
trifft, spielten sie gegen Ende des 14. Jahrhunderts keine hervorgehobene Rolle
mehr. Dennoch bediente man sich bisweilen des Kusses mit seinem reichen
Assoziationspotential zwischen liturgischer Geste und ritueller Bekräftigung,
zwischen Friedenszeichen und Ausdruck von Anerkennung und Achtung. Die
Bereiche, in denen der Kuss zur Anwendung kommen konnte, sind im Einzel-
nen zu untersuchen, um Herrscherküsse in ihrer Häufigkeit und spezifischen
Verwendung aufschlüsseln zu können. Zunächst sind dazu die Formen von
Küssen zwischen Herrschern darzulegen, um in einem zweiten Schritt deren
diachronen Wandel aufzuzeigen.
Zu welcher Art von Küssen kam es zwischen Königen bei Herrschertreffen?
Die bisherige Forschung hat für jene polysemantische Geste verschiedene Typo-
logien entworfen. Martin von Kempe (1642-1683) unterschied im bis dato um-
fangreichsten Werk über Küsse, dem 1000 Seiten starken Opus polyhistoricum
de osculis (1680), achtzehn Kategorien des Kusses.'"" Moderne Unterteilungen
legen bisweilen die Disposition der Beteiligten zugrunde, wie etwa Yannick
Carre, der zwischen einer körperlichen, einer affektiven, einer intellektuellen
und einer spirituellen Ebene von Küssen unterscheidet. '"' Eine Gegenposition,
die zuletzt von Raymond Firth vertreten wurde, sucht Unterscheidungen bei
Küssen gänzlich zu nivellieren.'"** Die vorliegende Untersuchung geht von den
Anwendungsbereichen bei Küssen aus, wobei sich bisweilen nur drei über-

158 Zur pejorativen Bedeutung von Pompes et NNns rf'nMiemens vgl. DuCANGE, Glossarium me-
diae et infimae latinitatis, Bd. 6, S. 402, s. v. »pompa«.
159 Enguerran de Monstrelet, Chronique, ed. Douet d'Arcq, Bd. 3, S. 389.
160 Von FiCHTENAu, Lebensordnungen, S. 58.
161 Dies bestätigte anhand zahlreicher Beispiele: Voss, Herrschertreffen, S. 170, 204.
162 Kempe unterscheidet folgende Arten: mystischer Kuss, Kuss der Verehrung, Friedenskuss,
christlicher Kuss, heidnischer Kuss, päpstlicher Fußkuss, hierarchischer Kuss innerhalb der
Kirche, Kuss bei der Belehnung, akademischer Kuss, Liebeskuss, erotischer Kuss, Hochzeits-
kuss, familiärer Kuss, Versöhnungskuss, Abschiedskuss, heuchlerischer Kuss und Judaskuss,
verfolgt also eine Mischung aus bibliographischem Ansatz und unterschiedlichen Formen des
Phänomens.
163 CAERE, Le baiser, S. 15, 435-437.
164 FiRTH, Verbal and Bodily Rituals of Greeting and Parting, S. 26f.
 
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