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Kaufhold, Martin
Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter: institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198 - 1400 im Vergleich — Mittelalter-Forschungen, Band 23: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34739#0025
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Kapitel 1
Der Beginn einer neuen Zeit: Die Jahre 1198-1215

Unsere Untersuchung beginnt mit dem dramatischen Auftakt einer neuen Epoche
um das Jahr 1200. Es ist nicht sinnvoll, die Anfangsphase des späten Mz'ffrMfers um
die Jahrhundertwende des 12. zum 13. Jahrhundert zu präzise einzugrenzen, und
es ist auch kaum möglich. Es ist ja gerade die Eigentümlichkeit dieser neuen Phase
der mittelalterlichen Geschichte, dass das Geschehen auf der historischen Bühne
nun von einer Vielzahl von Akteuren bestimmt wird, und dass die Ordnungen
dieses sozialen Gefüges durch die komplexen Interessenlagen mitunter schwer zu
erkennen sind. Dabei ist es nicht nur eine neue Komplexität, die die historische
Analyse herausfordert und die der Interpretation dieser Zeit ein breites Spektrum
eröffnet, sondern es ist auch eine veränderte Überlieferungslage, die den Blick
verändert. Indem die Reichschronistik zurücktritt und einer Zahl von Geschichts-
schreibern weicht, deren Aufmerksamkeit den Geschehnissen in den einzelnen
Regionen des Reiches, den entstehenden Ländern, gilt, und indem die enorm an-
wachsende Überlieferung der päpstlichen Kanzlei eine immer größere Bedeutung
für unsere Kenntnis der Reichsgeschichte erlangt, erscheint das römische König-
tum nur noch als eine Größe unter vielen. Eine Institution, der man sich gleichsam
von außen nähert, weil sie die Aufmerksamkeit der zeitgenössischen Geschichts-
schreiber nicht mehr automatisch auf sich zog. Darin kommt auch ein Bedeu-
tungsverlust des römischen Königtums zum Ausdruck, denn die Fähigkeit, die
Blicke auf sich zu ziehen und dem politischen und kulturellen Geschehen im Reich
einen Fokus zu verleihen, wäre schon für sich genommen ein Zeichen von Gestal-
tungsmacht. Über eine solche Fähigkeit, die historische Entwicklung gleichsam zu
verkörpern und den historischen Entscheidungsprozessen ein Gesicht zu verlei-
hen, verfügten nur sehr wenige römisch-deutsche Könige.' Allerdings muß um
der Gerechtigkeit willen, und um der vergleichenden Perspektive dieser Untersu-
chung willen, festgehalten werden, dass sich die Reihe der englischen Könige und
der Päpste der zwei Jahrhunderte zwischen ca. 1200 und 1400 kaum eindrucksvol-
ler ausnimmtZ Sie provozierten in mehr als einem Fall den entschiedenen Protest

Vgl. zu einer Übersicht über die Gestalten der spätmittelalterlichen Könige die Lebensbilder
in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. von Schneidmüller/Weinfurter.
Vgl. zu den englischen Königen: Die englischen Könige im Mittelalter. Von Wilhelm dem
Eroberer bis Richard III., hg. von N. Fryde/H. Vollrath, München 2004; zu den Päpsten vgl.:
Die Geschichte des Christentums, Bd. 5, hg. von Vauchez und Bd. 6, hg. von Mollat du Jour-
din/Vauchez; für eine knappe Übersicht: SCHIMMELPFENNIG, Das Papsttum.
 
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