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Patzold, Steffen
Episcopus: Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 25: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34736#0199

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IV. Die Zeit zwischen der Reichskrise und dem Ende der Brüderkriege

Es ist bemerkenswert, wie sehr sich der Bericht der offiziösen, bei Hof geführ-
ten Reichsannalen über diesen Akt von 835 unterscheidet von dem Bericht über die
Absetzung jener Bischöfe, die sich 817 am Aufstand Bernhards von Italien beteiligt
hatten. In beiden Fällen widmeten die Verfasser dem Geschehen nur einen einzel-
nen Satz. Aber dem Eintrag zu 818 zufolge »befahl« Ludwig, »die durch Synodalbe-
schluß abgesetzten Bischöfe Klöstern zu überantworten«^. Dem Eintrag zu 835 zu-
folge »beichtete« Ebo vor der gesamten Synode sein Kapitalverbrechen »und erklärte
sich eines so hohen, d. h. bischöflichen, wän'stcriMW für unwürdig, und indem er es
mit seiner eigenen Unterschrift bekräftigte, gab er mit Zustimmung und Urteil aller
dasselbe mnnsUrürw ab«U Die offiziöse Darstellung eines Konflikts zwischen dem
Kaiser und einer Gruppe von Bischöfen hatte sich in den nicht einmal zwei Jahr-
zehnten zwischen 817 und 835 sichtlich gewandelt: Nun schickte nicht der Kaiser
einen Rebellen in Klosterhaft; nun resignierte ein Erzbischof, weil er seinem hohen
Amt nicht gerecht wurde!

4. Fazit
Mit den spektakulären Inszenierungen der frühen 830er Jahre - mit Ludwigs Buße
in Soissons 833, mit seiner Rekonziliation 834/835 in St-Denis und Metz und mit
Ebos Resignation in Thionville 835 - hatten die Beteiligten sicher nicht planvoll das
in Paris schriftlich formulierte Modell als neues Wissen im Reich verbreiten und
verfestigen wollen. Jeder dieser politischen Akte bezweckte anderes; und doch wa-
ren sie in ihrer dichten Abfolge dazu angetan, das Ordnungsmodell in immer neuer
Form vor den Entscheidungsträgern des Reiches zu visualisieren und so allmählich
zu Wissen zu verfestigen.
Angesichts der Quellenlage läßt sich nicht exakt sagen, was im Oktober 833 in
Soissons oder im März 835 in Thionville >wirklich< geschah; wir wissen nicht, ob
Ludwig tatsächlich, wie die Bischöfe zu Protokoll gaben, »unter Tränen«^ seine
Sünden bekannt hat. Nur zu erahnen ist es, daß weder Ludwigs Entscheidung noch
später diejenige Ebos von Reims ohne Gewalt zustande gekommen sind. Sehr wohl
aber läßt sich rekonstruieren, wie die Zeitgenossen das Geschehen in schriftlicher
Form deuteten: Jenen Texten zufolge, die sie damals abfaßten, waren sich die mei-
sten Beteiligten darin einig, daß die politischen Akte dieser Jahre die Bischöfe in
ihrer Verantwortlichkeit für das Wohl des Reiches wie für das Seelenheil des Kai-
sers selbst zeigten. In den Augen von Angehörigen aller Parteiungen veranschau-
lichten die zumindest in der Führungsschicht zur Kenntnis genommenen Inszenie-
rungen, daß Exkommunikation und Buße wirksame Instrumente waren, um die
79 Annales regni Francorum, a. 818,148: [...] rnssü [...] ep7scopos st/notLü &creto doposilos monaslc-
rn's [...].
80 Annales Bertiniani, a. 835,17: 747777770 E&o ?'?! pknanü smodo capüak cn'777077 coM/essMS, S077770 ü7?üo, id
osl op7'scop77Ü, mün'slcn'o 777TÜ'g7777777 prod777777777s 737-0737-77777770 scn'pü'cwe C077/77-7777777S, soso 077777777777 0077-
S077S77 77177770 7777ÜC70 77& 00&777 7777777Slen'o T-OTMidÜ 77Ü07777777.
81 Vgl. Relatio episcoporum Compendiensis, Nr. 19/ 55, Z. 22; nach BECHER, Weinen 2001,
3/ gehört der Bericht über Ludwigs Tränen zur »Rechtfertigungsstrategie« der gegen Ludwig
agierenden Bischöfe: Die Tränen könnten als Hinweis darauf verstanden worden sein, daß
Ludwig die Buße in der Tat reuig und insofern freiwillig auf sich genommen hat.
 
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