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Patzold, Steffen
Episcopus: Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 25: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34736#0412

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B. Bischöfe im Spiegel der »Gesta episcoporum

411

Insgesamt überwiegen jedoch die Gemeinsamkeiten: Im Vergleich zu den Syn-
odalakten, Kapitularien und Bischofskapitularien sind die Annalentexte durchweg
nur in geringem Maße von den Kategorien des >Pariser Modells< geprägt. Das gilt -
relativ - sogar für Hinkmars Annalen: Wie eng die dort gebotene Schilderung der
Krönung Ludwigs des Stammlers in gedanklichem Zusammenhang mit dem Pari-
ser Modell< stand, ließ erst der Blick auf Ereignisse und Texte der Synode von
Ponthion im Jahr 876 erkennen. Wenn aber selbst für Hinkmar - der in Synodalak-
ten, Kapitularientexten und Bischofskapitularien wie auch im Streit über die Ebo-
Kleriker ein ums andere Mal die Schlüsselkategorien des >Pariser Modells< verwen-
dete - derartige Unterschiede greifbar sind, dann ergibt sich daraus eine
methodische Folgerung: Offensichtlich koexistierten in unterschiedlichen Textgat-
tungen verschieden akzentuierte Bischofsbilder. Während die normativen Texte,
die im voranstehenden Kapitel zu analysieren waren, vornehmlich »den« Bischof
schlechthin beschrieben, widmeten sich die Annalen insbesondere jenen herausra-
genden Bischofspersönlichkeiten, deren Handeln für die Geschichte des Reiches
von Bedeutung war; entsprechend unterschiedliche Bilder ergeben sich aus beiden
Gattungen. Das bisher herausgearbeitete Wissen über Bischöfe erweist sich damit
zwar als eine wichtige >Grundschicht<; es wurde aber von anderen >Schichten< über-
lagert. Nicht allein das Wissen über Bischöfe und ihr Amt im allgemeinen, sondern
auch das Wissen über die einzelne Persönlichkeit - hier vor allem über deren je in-
dividuelles Verhältnis zum König und ihren Einfluß bei Hof - beeinflußten die spe-
zifische Rolle eines Bischofs in der Reichspolitik. Erst die Gesamtheit dieser >Wis-
sensschichten< steckte der individuellen Stellung eines Bischofs und dessen
Handlungsmöglichkeiten einen Rahmen ab.
Dieses Zwischenergebnis macht es notwendig, durch die Analyse weiterer
historiographischer Textgruppen den Befund noch weiter zu differenzieren. Dazu
betrachte ich im folgenden zunächst die »Gesta episcoporum«, anschließend die
Weltchronik Ados von Vienne und schließlich die in Klöstern entstandene Historio-
graphie.

B. Bischöfe im Spiegel der »Gesta episcoporum«

Während in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts die ausführlich erzählende An-
nalistik unter die Kontrolle von Bischöfen geriet, hielt parallel dazu um das Jahr 860
eine bis dato nördlich der Alpen unübliche Gattung^" ihren Einzug in die fränki-
sche Historiographie: Nach dem Vorbild des »Liber pontificalis« ^ entstanden nun

322 Die bereits im ausgehenden 8. Jahrhundert von Paulus Diaconus verfaßte Metzer Bistumsge-
schichte, die bezeichnenderweise parallel eine Geschichte der Karolinger bot (vgl. oben, Kapi-
tel III, S. 113-116), war zunächst Episode geblieben - und KAISER, Gesta 1994, 469, hat im An-
schluß an Walter Goffart mit Fug und Recht bezweifelt, »ob hier noch von Gesta zu reden ist«.
323 Liber Pontificalis, ed. DucHESNE 1886; ausdrücklich auf dieses Werk verwiesen wird in den
Gesta pontificum Autissiodorensium, c. 7 29: [...] ut ?'?i gesh's po?ih/?'cah'&MS kgünMS [...].
 
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