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Patzold, Steffen
Episcopus: Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 25: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34736#0527

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526

VIII. Zusammenfassung und Folgerungen

im geistlichen Gewände« weiter seiner Familie »zugehörig« gefühlt habe ' (die hi-
storisch freilich wenig profiliert erscheint); aber erklärt dieses Zugehörigkeitsge-
fühl sein Handeln als Reimser Erzbischof und seine führende Stellung in der Poli-
tik des westfränkischen Reichs? Dieselben Fragen ließen sich mit ähnlichem
Ergebnis für eine lange Reihe weiterer politisch einflußreicher Bischöfe und Erzbi-
schöfe des 9. Jahrhunderts stellen: Von keinem einzigen Teilnehmer der Pariser Syn-
ode von 829 oder der Aachener Synode von 836 läßt sich begründet sagen, er habe
dort als Mitglied einer Adelsfamilie deren Interessen vertreten. Nicht einmal Ebo
von Reims bildet hier eine Ausnahme. Ihm hat der Zeitgenosse Thegan zwar aus-
drücklich vorgeworfen, er habe in seinem Bischofsamt seine eigenen Verwandten
zu fördern versucht. Tatsächlich bestätigt aber diese Kritik nur die Regel: Der unfrei
geborene Ebo gehörte eben nicht zu einer der führenden Familien des Reiches, und
Thegan sah Ebos Einsatz für seine Verwandten gerade in seiner unfreien Abkunft
begründet.
So ließe sich zugespitzt formulieren: Im Wissen der Zeitgenossen der hohen und
späten Karolingerzeit gründete die herausgehobene Stellung eines Bischofs weder
vornehmlich in dessen adliger Abkunft und Verwandtschaft (also seiner Einbin-
dung in einen adligen Familienverband), noch in seiner Rohe als vom König einge-
setzter Amtsträger. Im Wissen dieser Zeit beruhten der Einfluß und die besondere
Position des Episkopats in der politischen Ordnung vielmehr auf eigenen Funda-
menten: vor allem auf dem von Gott übertragenen wän'sfcriMw; auf der damit ver-
bundenen Verantwortung für Wohl und Wehe des popM?MS din'sh'awMs; auf der Weihe
und dem daraus resultierenden Zugriff auf die sakrale Sphäre und der Mittlerfunk-
tion zwischen der Menschheit und Gott; auf der Nachfolge der Apostel und frühe-
rer heiliger Bischöfe; und nicht zuletzt auf der Funktion als Stellvertreter Christi auf
Erden. Im Wissen der hohen und späten Karolingerzeit bildeten die Bischöfe nicht
einen »Reichsepiskopat zwischen Königtum und Adel«, sondern einen »Reichs-
episkopat neben Königtum und Adel, zwischen Gott und den Menschen«. Zumin-
dest die Überlieferung der Schlüsseltexte von 823/25 und 829 deutet darauf hin, daß
im 10. Jahrhundert eine derartige Sichtweise noch an verschiedenen Bischofssitzen
westlich wie östlich des Rheins nachzulesen war. Inwieweit auch für die ottonische
Reichskirche das zweipolige Modell mit Blick auf die Selbstsicht der Zeitgenossen
einer Nuancierung bedarf, wäre nach den hier vorgelegten Ergebnissen neu zu un-
tersuchen.

D. Folgerungen zur mediävistischen Ritualforschung

Für die Frage, auf welchem Weg sich das >Pariser Modelh im Reich verbreiten und
zu einem Wissen über Bischöfe verfestigen konnte, spielten nicht zuletzt Rituale
eine bedeutende Rolle: die Buße Ludwigs des Frommen, aber auch seine öffentlich

27 So ebd., ebenfalls für die Ottonenzeit.
 
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