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Meyer, Carla
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0071

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2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

Wenn bisher die Schwierigkeiten im Zentrum standen, mit denen ein kla-
re Grenzen ziehender und auf Vollständigkeit abzielender Überblick über das
Quellenkorpus zum Thema »Stadtchronistik« konfrontiert ist, so sollte die tour
du force durch die Forschungserträge der letzten 150 Jahre jedoch keineswegs
die großen Leistungen der Edition und der späteren Zusammenfassungen und
Typologien zur Nürnberger Historiographie schmälern. Neben dem pragma-
tischen Problem, inwieweit ein solches Unterfangen über die erreichten Dar-
stellungen hinaus Fortschritte vor zu weisen vermag, stellt sich die Frage, wie
aussagekräftig eine neuerliche Zusammenstellung trotz möglicher Ergänzun-
gen für das Verständnis der Entstehung und Verbreitung, der Funktion und
Wirkung der »Stadtchronistik« um 1500 wäre. Statt dessen wollen die folgen-
den Kapitel Schneisen in die dichte Überlieferung (wie auch durch die dazu
entstandene Spezialliteratur) schlagen. Die Richtung wird vorgegeben durch
die Stichworte, die Lottes allgemein für die Beurteilung der spätmittelalterli-
chen und frühneuzeitlichen Stadtchronistik vorgeschlagen hat, zugleich aber
auch durch die Unterscheidungskriterien, die sich in der speziell auf Nürnberg
zugeschnittenen Forschung eingebürgert haben: Wo wird das neue Interesse,
die Stadtgeschichte nachzuerzählen und in einem »emplotment« narrativ zu
formen, zuerst fassbar? Aus welchen Quellen speist es sich? Wie und inwiefern
beansprucht der Rat beziehungsweise die städtische Obrigkeit die »Erinne-
rungshoheit« aktiv für sich, wie die Annahme einer »offiziösen« Historiogra-
phie nahe legt? Bilden sich - trotz der Fülle und des Variantenreichtums der
chronistischen Überlieferung - wie von Lottes postuliert »Referenztexte« her-
aus? Wie kohärent ist die durch sie etablierte »Erinnerungskultur« der Stadt?
Wie plausibel lässt sie sich mit dem »Bedürfnis nach Identitätssicherung« um-
schreiben? Beginnen wir mit der Suche nach den »kommunikativen Ort(en)«
im städtischen Leben, an denen die Historiographie zur Stadtgeschichte in
Nürnberg ihren Anfang nahm.

2.2.1. Archivierte Geschichte
Der erste und zentrale Ort, an dem seit dem Anstieg städtischer Schriftlichkeit
in der Administration und Jurisdiktion ab dem 14. Jahrhundert Nürnberger
Geschichte beurkundet und aufgehoben wurde, war das reichsstädtische Ar-
chiv im Rathaus. Unterstellt war es nicht dem Gesamtgremium des Rates selbst
beziehungsweise seinen Schreibern, obwohl sie für das Protokoll der auf den
Ratssitzungen verabschiedeten Entscheidungen verantwortlich zeichneten und
die außenpolitische Korrespondenz führten und dokumentierten.^ Stattdes-

63 Vgl. PETER FLEiscHMANN, Art. Ratskanzlei, in: Stadtlexikon Nürnberg, 2. verb. Au fl. Nürnberg
2000b, S. 857f. Spätestens seit der Mitte des 15. Jahrhunderts besaß die Ratskanzlei eine Regist-
ratur, in der vor allem die Ratsverlässe, Ratsbücher und Briefbücher untergebracht waren. Zur
Bedeutung der letzteren und ihrer Erfassung in Eingangs- und Ausgangsregistern vgl. ERNST
PiTz, Schrift- und Aktenwesen der städtischen Verwaltung im Spätmittelalter. Köln - Nürn-
berg - Lübeck. Beitrag zur vergleichenden Städteforschung und zur spätmittelalterlichen Ak-
tenkunde, Köln 1959 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln Heft 45), S. 262-264. Der
 
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