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Meyer, Carla
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0154

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2.2. Stadtchronistik als »Identitätserzählung<

153

terisierte im übrigen treffend Meisterlins Konzept und Gliederung in seinem
der Handschrift vorangestellten, einer Kurzzusammenfassung gleichenden-
den Titel: Die Chronik nämlich gebe die Geschichte von der /oM/c/iüc/i fs/cj /iodz-
/(m/swüc/wn rai/c/is/a/ Nuraai^arg von wrcaz ars/üc/ian urspnuiga, ar^amig
fs/cj Mnd anc/ayA, anc/i /amr durc/iac/i/MMg, zars/onuig und Mai&sc/iiai^hng, von A-
raai ud/ andern desededennen /en^fenn, ganz /nshcdcd zn /essen ec.^^
Quer zu dieser an der Chronologie orientierten Strukturierung lassen sich
in Meisterlins Werk drei Themenkomplexe ausmachen, die er an den nach sei-
ner Darstellung entscheidenden Etappen von Nürnbergs Geschichte immer
wieder leitmotivisch aufgreift. Bei diesen strategischen »Erzählzielen« handelt
es sich erstens um den Komplex von Nürnbergs Reichszugehörigkeit, die nach
Meisterlin einerseits durch die besondere Kaisertreue der Bürgergemeinde be-
gründet ist und andererseits die rechtliche Autonomie der Stadt legitimiert.
Als zweite Intention ist die Relativierung der Macht und der Ansprüche der
Nürnberger Burggrafen zu nennen, die schließlich die größte Bedrohung für
die von Meisterlin beschworene städtische Souveränität dar stellten. Als drit-
tes Ziel ging es dem Autor um die gesellschaftlich-ständische Einordnung der
Nürnberger Bürger, besser der Elite der Stadt; sie ist als kaisertreuer »Amts-
adel« dem Landadel, ja sogar den gefürsteten Burggrafen gleichzustellen, wie
Meisterlin zu belegen sucht.^

2.2.10. Unter den Flügeln des Adlers
Meisterlins erstes »Erzählziel« ist in nuce bereits in seiner Ursprungserzählung
der Stadt entworfen, wie er am Ende der Episode auch programmatisch mit
den Worten statuiert: und a/so ist diese sie/ gagrdnd/ und anga/angan und a/zad
gewesen nn/er den^Mge/n des ad/arsT^ Nach Meisterlins Darstellung - die in der
Forschung als seine genuine Schöpfung gilt - ist Nürnberg eine Gründung des
römischen Imperators Tiberius Nero aus dem Jahr 12 vor Christus, womit er
die bisher in Nürnberg kursierenden Vorstellungen über die städtische ongo um
beinahe 900 Jahre nach vorn zu rücken verstand. Die Idee dazu brachte er aus
seiner Heimatstadt Augsburg mit, deren Bürgern eine historiographische Tra-
dition aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bereits trojanische Ursprünge
erschrieben hatte.^ Meisterlin selbst hatte in seiner Cronograp/üa AMgas/ansdua
von 1456/57 stattdessen für Augsburgs Gründung durch die Amazonen plä-
diert, als entscheidende Zäsur jedoch die Eroberung der Stadt durch denselben
Tiberius und ihren Ausbau durch dessen Bruder Drusus Nero markiert.^ Sol-
che glänzenden Anfänge wollte der Autor nun auch seiner Wahlheimat Nürn-
berg vermitteln.

515 CDS 3, VI, Sigle A, S. 26.
516 Vgl. JoACHiMsoHN, 1895, S. 203.
517 CDS 3, VI, S. 45.
518 WEBER, 1984, S. 35f.
519 Ebd.,S.36.
 
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