Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Meyer, Carla
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0180

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2.3. Politische Dichtung und städtisches »Image'

179

2.3. Politische Dichtung und städtisches »Image«
Schon die in den vorangegangenen Kapiteln entworfene These einer regen
annalistischen »Szene« in Nürnberg ist erst für das 16. Jahrhundert auf um-
fangreiches Quellenmaterial gestützt. Für eine Verbreitung der annalistischen
Chronistik vor 1500 finden sich über die wenigen älteren Textzeugen hinaus
nur einzelne Anhaltspunkte. Noch dürftiger gestaltet sich die Indizienlage für
ein weiteres Genre, das ebenfalls Nürnberger Geschichte(n) zum Gegenstand
hat: Von den politischen Ereignisdichtungen des Spätmitte)a)ters' können wir
heute vermutlich nur noch die Spitze des Eisbergs fassen; viele Texte dürf-
ten niemals aufgeschrieben worden sein. Entsprechend schwierig und vage

1 Auf der Schnittstelle zwischen Geschichts-, Literatur- und Musikwissenschaft angesiedelt,
führt die Erforschung der politischen Lieder und Sprüche des deutschen Spätmittelalters
trotz vieler Fortschritte in den vergangenen drei Jahrzehnten noch ein Schattendasein. Auf-
bereitet wurde das Feld vor allem durch die monographischen Arbeiten Ulrich Müllers und
Thomas Cramers, vgl. UmiCH MÜLLER, Untersuchungen zur politischen Lyrik des deutschen
Mittelalters, Göppingen 1974 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 455/56); DERS. (Hg.), Po-
litische Lyrik des deutschen Mittelalters, 2 Bde., Göppingen 1972 und 1974 (Göppinger Ar-
beiten zur Germanistik 68 und 84); THOMAS CRAMER (Hg.), Die kleineren Liederdichter des
14. und 15. Jahrhunderts, 4 Bde., München 1977-1985. Zahlreiche Einzeluntersuchungen,
oft als Vorarbeiten für die zweite Auflage des Verfasserlexikons, sind Frieder Schanze zu
verdanken. Mit den Monographien von Sonja Kerth und Karina Kellermann hegen dar-
über hinaus nun umfangreiche aktuelle Studien zur Gattung »politische Ereignisdichtung«
vor, vgl. SoNjA KERTH, Der Umis/rH ist zerDoUieii. Das Bild des Krieges in den politischen
Ereignisdichtungen des 13. bis 16. Jahrhunderts, Wiesbaden 1997 (Imagines Medii Aevi 1);
KARiNA KELLERMANN, Abschied vom »historischen Volkslied«. Studien zu Funktion, Ästhe-
tik und Publizität der Gattung historisch-politischer Ereignisdichtung, Tübingen 2000 (Her-
mä 90).
Als »weitgehend gelöst« hat Volker Honemann jüngst »das die Forschung in vieler Hinsicht
lähmende Problem der >Gattungs<-Bezeichnung« erklärt, das aus dem durch den Titel der bis
heute maßgeblichen und damit auch für die vorliegende Studie einschlägigen Edition von
Rochus von Liliencron im 19. Jahrhundert etablierten Terminus des »Historischen Volkslieds«
erwuchs, vgl. Lil., vgl. VOLKER HoNEMANN, Herzog Casimir uon Pommern und Bosse uon Erxie-
Hm: Zwei politische Lieder des deutschen Spätmittelalters im Vergleich, in: Gattungen und
Formen des europäischen Liedes vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. Internationale Tagung
vom 9. bis 12. Dezember 2001 in Münster, hg. von MiCHAEL ZywiETz, VOLKER HoNEMANN und
CHRISTIAN BETTELS, München, Berlin 2005 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen
Neuzeit 8), S. 71-88, hier S. 71. Ich beschränke mich daher darauf, für diese breite wissen-
schaftsgeschichtliche Diskussion auf entsprechende aktuelle Dokumentationen bei KERTH,
1997, S. 4L; KELLERMANN, 2000, S. 49-65; knapp HoNEMANN, 2005, S. 71f., und vor allem FRIE-
DER SCHANZE, Uberheferungsformen politischer Dichtungen im 15. und 16. Jahrhundert, in:
Schriftlichkeit und Lebenspraxis im Mittelalter. Erfassen, Bewahren, Verändern, hg. von HA-
GEN KELLER, CHRISTEL MEiER und THOMAS ScHARFF, München 1999 (Münstersche Mittelalter-
Schriften 76), S. 299-331, hier S. 299-302, zu verweisen. Während sich die aktuellen Studien
in ihrer Ablehnung der alten Gattungsbezeichnung einig sind, konnte sich bisher noch kein
Ersatzbegriff vollständig durchsetzen. Ich habe mich im Folgenden an dem von Kerth vorge-
schlagenen Terminus »politische Ereignisdichtung«, unter der sich sowohl Lieder wie auch
Reimreden subsumieren lassen, orientiert. Er rekurriert einerseits auf den Inhalt dieser Texte,
die Beschädigung mit und Darstellung von einem oder mehreren konkreten historischen Er-
eignissen, andererseits auf ihre tendenziöse, häufig offen propagandistische, »(tages-)politi-
sche« Intention.
 
Annotationen