Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Meyer, Carla
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0271

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
270

2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

gemeinen Bildungsgutes geworden zu sein. Seine Vermittlung hatte sich Sachs
schließlich zur Aufgabe gemacht: Analog der Übersetzung vom Lateinischen
ins Deutsche übertrug Sachs seine Vorlagen nämlich in Verse, verwandelte sie
von Lese- in Vortragstexte und erschloss sie somit einem neuen Publikum, der
städtischen Mittel- und Unterschicht.^ Wenden wir uns daher für das nächste
Kapitel dieser gelehrten Auseinandersetzung mit der Stadt zu, das heißt, den
Ursprüngen humanistischer Beschäftigung mit dem Sujet Nürnberg und damit
der zweiten entscheidenden Traditionslinie des Nürnberger Städtelobs.

2.4.3. Enea Silvio Piccolomini und Nürnberg
»Tausende sahen und wußten wenigstens stückweise, was er wußte, aber sie
hatten keinen Drang, ein Bild davon zu entwerfen, und kein Bewußtsein, daß
die Welt solche Bilder verlange,«^ so urteilte Jacob Burckhardt in seinem Werk
»Cultur der Renaissance« über den italienischen Humanisten Enea Silvio Pic-
colomini, den späteren Papst Pius II. Auch wenn man diese Stilisierung Pic-
colominis zum einsamen Genie heute relativieren mag, so hat der excellente
Deutschlandkenner Piccolomini unbestreitbar als zentraler Autor zu gelten,
der den deutschen Humanisten die Augen für die Städtelandschaft des Reiches
öffnete. Durch sein Beispiel gab er ihnen zugleich die Instrumentarien für die
selbstständige Beschreibung und Reflexion an die Handü
Über 20 Jahre lang im Reich südlich der Alpen - ab 1432 als Sekretär und
Gesandter des Basler Konzils, ab 1443 am Hof Kaiser Friedrichs III. - hatte

96 Vgl. HoRST BRUNNER, Hans Sachs - Über die Schwierigkeiten literarischen Schaffens in der
Reichsstadt Nürnberg, in: Hans Sachs und Nürnberg. Bedingungen und Probleme reichsstäd-
tischer Literatur. Hans Sachs zum 400. Todestag am 19. Januar 1976, hg. von DEMS., GERHARD
HiRSCHMANN und FRiTz ScHNELBÖGL, Neustadt a. d. Aisch 1976 (Nürnberger Forschungen 19),
S. 1-13, hier S. 9. Sachs erfand seine Erzählstoffe nur selten frei, sondern benutzte als Fundus
offenbar jede Vorlage, die ihm in die Finger geriet, die Lutherbibel ebenso wie historische
Stoffe, mittelalterliche Erzählwerke oder humanistische Schriften (vgl. REINHARD HAHN (Hg.),
Hans Sachs. Werke in zwei Bänden. Auswahl, Einleitung und Anmerkungen, Berlin, Weimar
1992, hier S. XXVf.). Im Bild festgehalten ist seine Arbeitsweise auf einem Gemälde von An-
dreas Herneisen, der Sachs in seinem Arbeitszimmer beim Dichten porträtiert: Sachs sitzt vor
dem Schreibpult am Tisch und hat die Schreibfeder in der Hand. Rechts neben ihm liegt ein
aufgeschlagenes Buch, ganz offensichtlich seine Vorlage, und auf dem Fußboden vor ihm ste-
hen griffbereit zwei weitere Folianten. Für eine Abbildung vgl. BoTT, WiLLERS, 1981, S. 137,
Abb. 123, Kommentar S. 151.
97 BuRCKHARDT, 1930, S. 204 (unter der Überschrift »Die Entdeckung der Welt und des Men-
schen«).
98 Vgl. WoRSTBROCK, 1989, Sp. 638: Worstbrock würdigt Piccolomini als den »am weitesten und
nachhaltigsten wirksame [n] Initiator des frühen deutschen Humanismus« und als »dessen
überlegene Leitgestalt über seinen Tod hinaus«. S. auch JOHANNES HELMRATH, Vestigia Aeneae
imitari. Enea Silvio Piccolomini als >Apostel< des Humanismus. Formen und Wege seiner Dif-
fusion, in: Diffusion des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung euro-
päischer Humanisten, hg. von DEMS., ULRICH MuHLACK und GERRIT WALTER, Göttingen 2002,
S. 99-141, hier S. 102, der Piccolomini neben Petrarca als zweite wichtige »Brückenfigur« zwi-
schen Italien und Deutschland bewertet. Zur Rezeption von Piccolominis Oeuvre im Kreis der
Nürnberger Humanisten vgl. unten Kap. 2.4.4. und 2.4.5.
 
Annotationen