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Meyer, Carla
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0392

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3.3. Innere Konfliktherde

391

3.3. Innere Konfliktherde
3.3.1. Die Angst vor Aufruhr
Im Vergleich zu der nicht abreißenden Kette an äußeren Bedrohungen, denen
die Reichsstadt im 15. und 16. Jahrhundert ausgesetzt war, präsentiert sich ihre
innere Ordnung im Untersuchungszeitraum als außergewöhnlich konstant.
Im Gegensatz zu einer Vielzahl vergleichbarer Städte wie etwa Augsburg oder
Köln wurde die Nürnberger Geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts nicht von
Revolten oder Aufständen gegen die städtische Obrigkeit erschüttert.^ Celtis
ließ sich in seiner daher zu der Erklärung hinreißen, Nürnberg
sei - so wie Griechenland das von einigen seiner Städte überliefere - von den
unsterblichen Göttern gegründet. Es bestehe seither und bis zu diesem Tag in
oniahss/om re pnMica trotz seiner hohen Bevölkerungszahl ohne jeden Auf-
stand oder Tumult.^ Cochlaeus, nüchterner als sein Vorbild Celtis, korrigiert
diese Erklärung in seiner Breuis Gernmnie Descripfio durch die Einschränkung,
dass seit 80 Jahren keine Revolte ausgebrochen sei. Um jedoch die Außerge-
wöhnlichkeit dieser Beobachtung entsprechend herauszustreichen, bemüht er
einen antiken Autor: Aristoteles habe in seiner Po/üBr erklärt, wie schwierig,
wenn nicht gar unmöglich es sei, nr&en; hzn; jOOjWposao? sine sedifionem in/nniin
gn&ern%ri - eine solche bevölkerungsreiche Stadt ohne Aufruhr und Ausschrei-
tungen zu regieren. Cochlaeus zieht daher das Fazit, dass Nürnberg das höchs-
te Lob verdiene: PPzec ihztyne in re uei nmvinm iendende esi Norin&erga.^
Die moderne Forschung zu Nürnberg bestätigt dieses zeitgenössische Urteil
für die Zeit um 1500 und beschreibt - wie Valentin Groebner polemisch formu-
liert - die Stadt geradezu als eine »Oase der Stabilität inmitten der von Kämp-
fen gebeutelten oberdeutschen Städtelandschaft« d Groebner selbst hegt freilich
beträchtliche Zweifel an dieser Bewertung und kann für seine Thesen auch eine
nicht unerhebliche Zahl an innerstädtischen Konfliktherden ins Feld führen,
wie im Folgenden auch ausführlicher zu zeigen sein wird. Ist der von Groebner
bezweifelte »spezifisch nürnbergische[n] Charakter bürgerlicher Harmonie«^
also das Resultat der Behauptung und erfolgreichen Durchsetzung einer städ-
tischen »Leitidentität«, die gerade Konflikten und latenten Krisen begegnen

1 Zwischen 1471 und 1490 wurden in Deutschland neun Unruhen, 1491 bis 1500 zehn, 1509 bis
1514 sogar 19 und 1521 bis 1530 45 gezählt; nach 1530 lief die Bewegung aus, vgl. dazu EmcH
MAscHKE, Deutsche Städte am Ausgang des Mittelalters, in: Die Stadt am Ausgang des Mittel-
alters, hg. von WiLHELM RAUSCH, Linz an der Donau 1974 (Beiträge zur Geschichte der Städte
Mitteleuropas 3), S. 1-44, hier S. 20f. mit Artm. 206. Für Einzelfallanalysen nord- und west-
deutscher Städteaufstände zwischen 1300 und 1530 vgl. zehn unter Kapitel II. »Merkmale von
Stadtkonflikten. Fallbeispiele zwischen 1300 und 1530« versammelte Aufsätze in WiLFRiED EH-
BRECHT, Konsens und Konflikt. Skizzen und Überlegungen zur älteren Verfassungsgeschichte
deutscher Städte, hg. von PETER JoHANEK, Köln, Weimar, Wien 2001 (Städteforschungen A 56),
S.155-399.
2 Conrad Celtis, Non'wNrga, ed. WERMiNGHOFF, 1921, S. 202f.
3 Johannes Cochlaeus, Breuis Gcnwaiub Descn'ph'o, ed. LANGOSCH, 1960, S. 84.
4 GROEBNER, 1994, S. 278.
5 Ebd., S. 279.
 
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