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Meyer, Carla
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0451

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450

4.Fazit

4.2. Alter und Schönheit
Das neue Interesse an der Stadt, das sich je nach Genre leicht verschoben ab
der Mitte des 15. Jahrhunderts verstärkt bemerkbar macht, wurde im 2. Ka-
pitel dieser Arbeit vor allem aus der Rezeption neuer beziehungsweise der
Renaissance alter Gattungen entwickelt. Die durch diese Genres zur Verfü-
gung gestellten literarischen Muster haben sich als entscheidender Schlüssel
für die Ausbildung der neuen Inhalte erwiesen: Sie lieferten den Autoren,
die sich am Sujet Nürnberg versuchten, nicht nur konkrete Sachinformation
und sprachliche Versatzstücke. Stattdessen strukturierten diese Muster auch
ihre Wahrnehmung und Vorstellungen von der Stadt, indem sie die The-
men und Kriterien Vorgaben, wovon man in einer Stadt überhaupt »Notiz
nahm«/'
Der große Einfluss, den die Gattungskonventionen auf Autoren und ihre
Texte nahmen, soll am Beispiel des Städtelobs und der Stadtbeschreibungen
nochmals diskutiert werden. Als klassisches Gattungsstereotyp in den volks-
sprachlichen Städtelobtexten dürfen etwa die langen katalogartigen Partien
gelten, die Nürnbergs Reichtümer und Kompetenzen vor Augen führen sol-
len: Über viele Verse hinweg zählen sie etwa die Waren auf, die in Nürnberg
verkauft werden, die Länder, in die Nürnberger Kaufleute reisen, die Zahl der
städtischen Röhrenbrunnen et cetera. Diese statistische Annäherung an die
Stadt findet auch in heutigen Stadtdarstellungen noch ihren Platz. Wer den
aktuellen Nürnberg-Baedeker aufschlägt, wird zuerst mit Informationen über
die Bevölkerungszahl oder das Wirtschaftsaufkommen versorgt. Doch danach
kommt ein heutiger Reiseführer selbstverständlich auf das Stadtbild und die

wird das Sprichwort außerdem dadurch, dass Johannes Agricola es auch für die Städtepaare
Frankfurt-Mainz und Leipzig-Freiburg anführt.
Hinsichtlich einer religiös bestimmten lokalen Identität scheint man im Medium der Illustra-
tion aunahmsweise schneller reagiert zu haben als in Texten: Auf einem um 1560 vermut-
lich in Nürnberg entstandenen Holzschnitt von fünf Stöcken tauft der heilige Johannes vor
der Kulisse Nürnbergs in Anwesenheit wichtiger Personen der Reformation Christus in der
Pegnitz, während von oben Gottvater mit der Taube des Heiligen Geistes das Geschehen ver-
folgt; Museen der Stadt Nürnberg, Graphische Sammlung, Slg. Volckamer, für eine Abb. vgl.
MENDE, 2000a, S. 120. Als weitere Beispiele sind zwei heute im Germanischen Nationalmu-
seum Nürnberg verwahrte Münzen zu nennen, deren Bilder Reformatoren vor der Silhouette
Nürnbergs darstellen, für eine Abb. vgl. FRiTz ZiNK, Die frühesten Stadtansichten auf deut-
schen Medaillen und Münzen, in: Anzeiger des Germanischen National-Museums 1954-1959,
S. 192-221, hier S. 194.
43 Vgl. dazu KuGLER, 1978, S. 84, über die Thematisierung der Stadt in der volkssprachlichen
Literatur des 16. Jahrhunderts: »Man geht, meine ich, besser von der Annahme aus, daß eine
städtisch geprägte Wahrnehmung bei den frühneuzeitlichen Städtern nicht fertig ausgebildet
ist und die bürgerliche Weltanschauung< sich erst allmählich formiert. Folglich geht es mir
bei der Textanalyse besonders um den instrumentellen Aspekt. Ich versuche zu begreifen, wie
die Texte als Instrumente der Wahrnehmung gebraucht sind und ihren Autor in die Lage ver-
setzen, seinen Gegenstand aufzufassen, von ihm im Wortsinne Notiz zu nehmen. In den Tex-
ten sind Darstellungsmuster verwendet, die, durch literarische und historische Traditionen
geprägt, den Blick auf den Gegenstand präformieren, die Wahrnehmung vorstrukturieren.«
S. dazu auch EscH, 1991.
 
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