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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0044

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1.3 Sich mit dem Raum arrangieren oder ihn überwinden: Wege fürstlichen Handelns 29

pommersche Abhängigkeitsverhältnis gegenüber Polen erneuerte*^, wurde Pommern
damals erfolgreich die weitgehende Selbständigkeit gesichert und sein Verbleib bei der
angestammten Dynastie garantiert. Das komplizierte Rechtsverhältnis Pommerns zum
Reich und Polen, wie wir es dann für die Zeit um 1135 rekonstruieren können und wo-
nach das Kaisertum die Position eines Oberherrn beanspruchte, während unter dieser
Ebene dem Markgrafen der Nordmark der Westteil, dem polnischen Herzog der Ostteil
Pommerns unterstellt waren' ', bedeutete - so verstanden - nicht eine Einengung, son-
dern gewährleistete gerade pommersche Handlungsfreiheit, die sich dann noch vergrö-
ßerte, als der Druck Sachsens nach Lothars Tod 1137 für rund zehn Jahre nachließ und
Polen mit Boleslaws III. Ableben 1138 wegen innerer Konflikte für längere Zeit als
Machtfaktor ganz ausschied.' ' Die Lage änderte sich grundlegend ab Ende der 1150er
Jahre, als Dänemark unter König Waldemar in Konkurrenz zu Heinrich dem Löwen
eine aggressiv-expansive Dynamik im südlichen Ostseeraum entfaltete*^, und es ver-
wundert wenig, wenn wir nun auf das gleiche Verhalten der pommerschen Fürsten Bo-
gislaw I. und Kasimir IP** stoßen wie schon bei ihrem Vater Wartislaw: Je nachdem ob
nun König Waldemar oder Herzog Heinrich seine Ziele und Interessen durchzusetzen
wußte, leisteten die Brüder im schnellen Schwenk dem einen oder dem anderen Mann-
schaft, freilich anscheinend noch ohne ihr ganzes Fürstentum direkt zu Lehen aufzutra-
gen P" Zeitweilig wandte sich Kasimir freilich mehr dem Dänenkönig zu, während Bo-
gislaw eher zum Sachsenherzog tendierte, ohne daß in den Quellen erkennbar wird, ob
es sich dabei um eine ausgeklügelte Taktik handelte, die gerade auf den Erhalt von
Handlungsoptionen abzielte, oder ob es nur ein Ergebnis zeitweiliger Macht- und Bünd-
niskonstellationen zwischen den beiden Obermächten war. Die Tatsache jedenfalls, daß
Heinrich und Waldemar 1166/67 gemeinsam gegen die beiden Pommernherzöge vor-
gingen und Demmin bzw. Wolgast belagerten*^*, deutet an, daß es tatsächlich um den
Erhalt eigener Handlungsoptionen ging und daß sie diese im Vorfeld der Belagerung in
irgendeiner Form genutzt hatten. 1168 beteiligten sich die Pommernfürsten dann auf
Waldemars Seite an der Eroberung Arkonas, wobei die Absicht, selbst die Herrschaft
über Rügen zu übernehmen, eine nicht zu geringe Rolle gespielt haben dürfteP* Die
Herzogsbrüder setzten sich mit ihrem Wunsch bekanntlich nicht durch, was sie wieder
zum schnellen Übertritt ins sächsische Lager veranlaßteP' Es folgten unter dem Druck
der Ereignisse in den 1170er Jahren weitere rasche Front- und Lagerwechsel zwischen
Heinrich, Waldemar und - unter Schließung einer Ehe Bogislaws mit Anastasia von Po-

134 Ebo 111.13; Herbord 111.10. - SLASKi 198/ S. 32ff.; PETERSOHN 1983, S. 103; DERS. 1979, S. 223.
135 So einleuchtend PETERSOHN 1983, S. 104. - Siehe auch SLASKi 198/ S. 35. - Als Hauptquellen
siehe Ottonis ep.Fris.Chron. VII.19; SzuLTKA 2006, Nr. 12; MGH DLIII, Nr. 91.
136 Siehe zu Polen ALEXANDER 2005, S. 37ff.; HoENSCH 1998, S. 33ff.; ZiENTARA 1970a; RHODE 1965,
S. 41ff.; MYSLiNSKi 1948; DERS. 1948a.
137 Zum Verlauf der damaligen kriegerischen Auseinandersetzungen ausführlich KATTiNGER 1995;
GAETHKE 1994; BoLLNOw 1960, S. 60ff.; EGGERT 1928 u. 1927.
138 Siehe zu diesen beiden BENL 2002; ZiENTARA 2002; SCHMIDT 1955; v. BÜLOw 1876a u. 1876, S. 40f.
139 So einleuchtend KATTiNGER 1995, S. 73. - Allerdings hat Kattinger anscheinend einen wichtigen
Hinweis übersehen, der sich in Saxo 866 findet: lateren Knzi/amrus et Bupszlnt'us DnAcnrura A-
rüna mein Hean'co se saMaaf regaaaayae saa?a iiacas^ae hheraai Snxoaici namens /nciaaf. - Demzu-
folge wäre durchaus eine Lehnsauftragung für ganz Pommern erfolgt. Uber den Stellenwert
dieser singulären Nachricht bleibt noch zu diskutieren.
140 Ebda., S. 76 wird der Zug auf 1167 datiert, während EGGERT 1928, S. 33 von 1166 spricht.
141 Saxo 834. - Zu den Ereignissen siehe WERLiCH 1996; KATTINGER 1995, S. 76f.; EGGERT 1928, S. 37;
DERS. 1927. - Zum Plan einer Einverleibung Rügens siehe Saxo 845. - ScHEiL 1962, S. 7.
142 So urteilt etwa auch WEHRMANN 1982,1, S. 83. - Saxo 845.
 
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