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Kohl, Thomas
Lokale Gesellschaften: Formen der Gemeinschaft in Bayern vom 8. bis zum 10. Jahrhundert — Mittelalter-Forschungen, Band 29: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34742#0196

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4.5 Unfreie und ihre Familien

195

4.5.2 Xm&r uon Un/rp/pn Frp/'pn

Über die gesamte Untersuchungszeit hinweg gab es auch immer wieder Be-
ziehungen zwischen Freien und ihren eigenen Unfreien oder denen anderer
Herren. In Bayern waren in der Untersuchungszeit nach dem Prinzip der ärgeren
Hand Kinder von Unfreien und Freien grundsätzlich unfrei. Deshalb genügte der
Nachweis eines unfreien Vorfahren dafür, unfrei zu sein, wie in Gerichtsverfahren
deutlich wircD". Die Eltern bzw. der freie Eltern teil konnten aber versuchen, eine
Unfreiheit der Kinder zu verhindern oder zumindest ihre Bedingungen zu
mildern.
Dies tat etwa ein Tenil (Daniel), der 821 die Hälfte seines Besitzanteils in Pfett-
rach, zu dem auch ein Anteil an einer dortigen Kirche gehörte, an Freising über-
gab. Tenil war nach dem Tod seiner Frau nccccs/'htU conpM/sMS eine Beziehung mit
einer Freisings eingegangen, einer Meripurc, und hatte mit ihr einen Sohn
namens Haguno gezeugt, den er sehr lieb gewonnen hattet Deshalb beriet er mit
seinen propnz propwzpüz, seinen ordentlichen oder näheren Verwandten, wie man
seine Freundin (am/'ca) von Bischof Hitto erwerben könnte^. Er beschloss, dem
Bischof dazu einen Teil seines Erbbesitzes zu übertragen. Hitto ließ sich zwar auf
den Handel ein, übergab Meripurc und ihren Sohn aber nicht an Tenil oder ließ sie
frei, sondern gestand ihnen lediglich zu, den geschenkten Besitz auf Lebenszeit
behalten zu dürfen, allerdings im scrvzÜMM sanchtc Man'ac. Haguno und seine
Mutter Meripurc blieben also Unfreie Freisings, hatten allerdings ein gesichertes
Auskommen und mussten keine schweren Leistungen erbringen. Es ist allerdings
nicht bekannt, welchen Status mögliche Nachkommen Hagunos gehabt hätten.
Nach dem Wortlaut der Urkunde hätten sie keine Sonderrechte gehabt. Meripurc
erscheint später als Ehefrau Tenils wie die Schenkung der anderen Hälfte des
Pfettracher Besitzes zugunsten von Frau und Sohn zwei Jahre später zeigDT
Die Betonung der propznzpü Tenils weist auf einen weiteren wichtigen Aspekt
der Unterscheidung von frei und unfrei: Unfreie hatten keine sozial und juristisch
relevante Verwandtschaft, sie gehörten nicht zu einer Großfamilie, die einen in
wichtigen Fragen beriet, vor Gericht unterstützte und das Wergeid empfangen
konnte, sondern zu einer in der zumindest letztere Aufgaben vom Herrn
wahr genommen wurden^.
Auch im nächsten Fall, bei dem ein noMzs zw Heito, ein Vasall Bischof
Baturichs von Regensburg, 837 eine Schenkung in Gerbersdorf im Künziggau an
das Kloster Mondsee erneuerte und erweiterte, ging es darum, unfreien Söhnen

201 TF 401c (818.09.15) in Allershausen, 514 (825.02.20) in Isen, s. dazu das Folgende.
202 TF 450 (821.07.26): ZMgcMÜ HMzmo zu cor& zKiHmauzf.
203 Man beachte die Abgrenzung einer Gruppe aus der Anzahl der möglichen Verwandten her-
aus als ,richtige' Familie, vielleicht im Gegensatz zur Beziehung zur Unfreien.
204 TF 489 (823.04.09).
205 Die Bestimmungen der Lex Baiuvariorum über das Wergeid der Freigelassenen, das dem
Herren zukommen sollte (tit. 5,9), während die Entschädigung für eine Beziehung mit einer
freigelassenen Frau an deren Familie (pgrcMfcs) oder an den Herrn zu zahlen war (tit. 8,10f.),
zeigen, dass dieses Problem auch nach einer Freilassung Weiterbestand. Mitte des 9. Jahr-
hunderts erhielt der Bischof auch Wergeidzahlungen für ,seine' Barschalken (TF 679
[846.05.19]) - auch für Minderfreie galt in dieser Zeit also die Familienlosigkeit.
 
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