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Haeberli, Simone; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der jüdische Gelehrte im Mittelalter: christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung — Mittelalter-Forschungen, Band 32: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34910#0116

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11.4 Kleriker sprechen über jüdische Gelehrte

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St. Victor mit scharfen Worten gegen Andreas wendet. Der Umgang eines Christen mit
Juden barg also auch Risiken in sich: wer die Juden nicht als reine Zudiener für den
christlichen Glauben auffasste, indem der Austausch mit ihnen beispielsweise korrekte
Bibeltexte ermöglichte, sondern jüdischen Positionen einen gewissen Eigenwert zuge-
stand oder zumindest nicht aktiv absprach/ der verfehlte sich und wurde zum Be-
droher des Christentums. Jüdische Autorität, die sich gegen das Christentum verwenden
lässt, ist inakzeptabel. Jüdische Autorität jedoch, die sich in den Dienst des Christen-
tums stellen lässt, ist hochwillkommen und stellt theologisch gesehen kein Problem
dar, wie im nächsten Abschnitt noch deutlicher gezeigt wird.

11.4.5 Namentliches Zitieren von jüdischen Autoritäten
Während bereits die Victorianer Methoden und Lehrmeinungen von zeitgenössischen
jüdischen Gelehrtenautoritäten in ihr Werk einbauten, diese aber nicht mit Namen
nannten, ist es spätestens ab der Hochscholastik theologisch unproblematisch, jüdische
Autoritäten zur Stützung christlicher Aussagen namentlich und sogar mit ehrenden
Attributen in den eigenen Schriften anzuführen. Petrus Comestor beispielsweise (+ 1178),
Kanzler der Kathedralschule in Paris, ging in dieser Hinsicht über die Gepflogenheiten
seiner Vorgänger hinaus. Petrus, der seine letzten Lebensjahre im Kloster von St. Victor
zubrachte, stand möglicherweise ebenfalls im Austausch mit Juden. Allerdings hat er
mit Sicherheit Andreas' Werke gekannt, so dass viele Lehrmeinungen der bei ihm
zitierten Jh&z wohl eher dorther als aus persönlichen Begegnungen stammen/ ^ Er
verweist nicht nur häufig auf die Haggadot der Juden/ ^ wie das seine geistigen
Schüler?) als zzoshz nzzWzzznics, vgl. DIES., A commentary on the HeFrzzz'czz by Herbert of Bos-
ham, in: Recherches de Theologie et philosophie ancienne medievale 18 (1951), S. 29-65, hier:
S. 64.
Für weitere Beispiele bei Andreas vgl. SMALLEY, Study of the Bible, S. 160 mit Anm. 1 und 2.
Es stimmt allerdings nicht - wie das Richards Schilderungen suggerieren - dass Andreas sich
nie verurteilend über jüdische Lehrmeinungen geäußert oder die Juden als Feinde der Wahr-
heit bezeichnet hätte, vgl. ebd., S. 163; auch wählt er zuweilen relativierende Formulierungen
wie: Sz credz'zzzzzs HcNczs /zoc sz'yzzz/z'czzhzr, vgl. ebd., S. 161. Ein Einzelfall ist dabei jedoch An-
dreas' Ausfall gegen die Juden, die sowieso lieber ans Geldverdienen als an das sorgfältige
Auslegen der Bibel denken würden, vgl. Commentarius in Danielem: [...] zyzzzzzzz czzzzz z'sfz's fezzz-
porz's zzosüz tzzdez's, zzzzzho zzzzzz'ore sfzzdz'o czzzwzhhzzs zzf zzssz's zzz'zzzz'zzs cozzcernefzzr, zyzzzzzzz zzf dz'iz'yezzh'
scnpfzzrzzrzzzzz z'zzfezprefzzh'ozzz z'zznz'yz'iefzzr [...]. Text Ms. Pembroke 45, Cambridge, fol. 134a, zitiert
nach SMALLEY, Study of the Bible, S. 394.
Zur Verwendung von Andreas' Werken durch die Gelehrten der nachfolgenden Generation
vgl. BERYL SMALLEY, The School of Andrew of Saint Victor, Recherches de Theologie Ancien-
ne et Medievale 11 (1939), S. 145-167; vgl. auch DIES., Study of the Bible, S. 234; SALTMAN,
Pseudo-Jerome, S. 50. Das könnte auch für seine Kenntnisse von Raschis Kommentarwerk
gelten, vgl. HAILPERIN, Rashi and the Christian Scholars, S. 111; LOUIS H. FELDMAN, The Je-
wish source of Peter Comestor's commentary on Genesis in his Historia Scholastica, in: Be-
gegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter. Festschrift für
Heinz Schreckenberg, hg. von Dietrich-Alex Koch u. Hermann Lichtenberger, Göttingen
1993, S. 93-121, weist Comestors Quellen sehr genau nach, eine Minderzahl ist zeitgenös-
sisch-jüdisch.
Petrus Comestor, Historia Scholastica, in: PL 198, Sp. 1083B, 1101A, 1103C u.ö. Der Kirchen-
mann Bellarminus hingegen fügt dem Vorwort zur Historia einen Zusatz hinzu, der deutlich
auf den rein ergänzenden, nicht autoritativen Charakter dieser jüdischen Erzählungen
hinweist, vgl. ebd. Sp. 1051: [...] zzozz rzzro zzdzzzz'scere z'zzcerhzs Izz'sforMs; sed Uyezzfz pzzfeFz'f z'zz
frzzdz'h'ozzzhzzs pzzrzzzzzzyzze yz'rzzzzzfz's zzzzrrzzh'ozzzhzzs zzzTzz'i zzF z'pso proFzzrz, z'zzzo pofz'zzs phzn'zzzzz z'zzzproFzzrz,
 
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