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Keupp, Jan
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0046

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I. Einordnung und Auszeichnung: Spielräume mittelalterlicher Kleiderwahl

Attribut seines hohen Ranges an seiner Kleidung. Als ein bürgerlicher Passant dem
Freiherrn den respektvollen Gruß verweigerte und ihm als einer vermeintlich stan-
desniederen Person ain schlechten beschaidt gab, hielt ihm der Edelmann aufs Höch-
ste indigniert entgegen: Du solltest billich an dem knöpfte sehen, wer ich were«. Zum
Beweis nahm er »damit sein huet ab, zaigt im ain kleins guldins knöpfte, das er an ainer
schnür hätt am huet hangen36.

b) Kleiderordnungen und Ständedenken
Der schwäbische Adelige mochte sich seiner Sache insofern sicher sein, als sich die
Forderung nach Anerkennung seiner adeligen Identität auf gesetzliche Grundlagen
stützen konnte. Das Tragen goldener Pretiosen und kostbaren Hutschmuckes war
zu seiner Zeit nicht nur in Konstanz, sondern auch auf Reichsebene als exklusives
Vorrecht vornehmer Stände festgeschrieben und auf Betreiben zahlreicher Obrig-
keiten in Gesetzesform gegossen worden37. Mehr als 1350 derartiger Kleiderord-
nungen konnten zwischen 1244 und 1816 allein im Reichsgebiet gezählt werden38.
Dabei scheint sich der Grad der sozialen Grenzziehung und Standestrennung stetig
verfeinert zu haben. Minuziös wurde insbesondere im Übergang zur Neuzeit der
Konnex von Kleidern und sozialer Hierarchie festgehalten und rechtlich fixiert. Die
36 Die Chronik der Grafen von Zimmern, hrsg. von Hansmartin Decker-Hauff, 3 Bde., Sigmarin-
gen 1966-1972, Bd. 2, S. 123, vgl. dazu Andreas Ranft, Einer von Adel. Zu adligem Selbstver-
ständnis und Krisenbewußtsein im 15. Jahrhundert, in: HZ 263 (1996), S. 317-343, S. 317f.
37 So verfügte die in Konstanz früh rezipierte Reichspolizeiordnung von 1530, dass die gemeyn Bur-
ger, Handtwercker unnd gemeyne kremer keyn goldt, silber, perlin, sammet oder seiden (...) tragen; vgl.
Matthias Weber, Die Reichspolizeiordnungen von 1530,1548 und 1577. Historische Einführung
und Edition (lus Commune Sonderheft 146), Frankfurt a.M. 2001, S. 142. Generell zum Verbot von
Goldschmuck unterhalb des Patriziats vgl. Hartmut Bock, Goldene Ketten und Wappenhelme.
Zur Unterscheidung zwischen Patriziat und Adel in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift des Hi-
storischen Vereins für Schwaben 97 (2004), S. 59-120. Aus Konstanz ist kein eigenes Verbot des
Goldschmuckes, wohl aber aufwendiger Hutfedern überliefert, vgl. Peter Meisel, Die Verfas-
sung und Verwaltung der Stadt Konstanz im 16. Jahrhundert (Konstanzer Geschichts- und
Rechtsquellen 8), Konstanz 1957, S. 119. Daß im Einzelfall trotz allgemeinen Verbots der Besitz
goldener Agraffen auch in Kreisen der Konstanzer Bürgerschaft nicht ausgeschlossen war, be-
legt Paul Baur, Testament und Bürgerschaft. Alltagsleben und Sachkultur im spätmittelalterli-
chen Konstanz (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen 31), Sigmaringen 1989, S. 240f.
38 Neithard Bulst, Kleidung als sozialer Konfliktstoff. Probleme kleidergesetzlicher Normierung
im sozialen Gefüge, in: Saeculum 44 (1993), S. 32-46, S. 47; vgl. ders.. Zum Problem, S. 35ff. Vgl.
zu Einzelbeispielen Eisenbart, Kleiderordnungen; Gertraud Hampel-Kallbrunner, Beiträge
zur Geschichte der Kleiderordnungen unter besonderer Berücksichtigung Österreichs (Wiener
Dissertationen auf dem Gebiet der Geschichte 1), Wien 1962; Baur, Kleiderordnungen; Jutta
Zander-Seidel, Ständische Kleidung in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt, in:
Terminologie und Typologie mittelalterlicher Sachgüter: Das Beispiel der Kleidung. Internatio-
nales Round-Table-Gespräch Krems an der Donau. 6. Oktober 1986 (Veröffentlichungen des In-
stituts für Mittelalterliche Realienkunde Österreichs 10. Österreichische Akademie der Wissen-
schaften. Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte, 511. Band), Wien 1988, S. 59-75;
Anne-Kathrin Reich, Kleidung als Spiegelbild sozialer Differenzierung. Städtische Kleiderord-
nungen vom 14. bis zum 17. Jahrhundert am Beispiel der Altstadt Hannover (Quellen und Dar-
stellungen zur Geschichte Niedersachsens 125), Hannover 2005. Zur antiken Vorgeschichte vgl.
Javier Arce, Dress control in late antiquity: Codex Theodosianus 14.10.1-4, in: Kleidung und
Repräsentation in Antike und Mittelalter, hrsg. von Ansgar Köb/Peter Riedel (MittelalterStu-
dien 7), München 2005, S. 33-44.
 
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