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Keupp, Jan
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0164

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164

II. Angebot und Auslegung: Politik im Zeichen der Kleidung

der Kleidung ließ sich in synchroner Perspektive zweifellos auch auf weitere Kreise
der geistlichen und weltlichen Hierarchie übertragen.

b) Geteilte Identität: Das Privileg der gleichen Kleider
Prägnante Beispiele aus beiden Bereichen lassen sich bereits für die Zeit Kaiser
Ottos III. ausweisen: Die Vita des heiligen Bernward informiert uns über das
Erscheinen eines päpstlichen Legaten im Reich. Dieser sollte im Juni des Jahres 1001
einer Regionalversammlung sächsischer Bischöfe Vorsitzen, die dem heftig eskalier-
ten Streit um die Mainzer und Hildesheimer Rechte über das Kanonissenstift Gan-
dersheim ein Ende bereiten sollte33. Zu diesem Zweck waren nicht allein Mahn-
schreiben von Kaiser und Kurie an die beteiligten Prälaten ergangen, die sie zur
ehrenvollen Aufnahme des Legaten verpflichten sollten. Die dem jungen Kardinal-
priester Friedrich übertragene Entscheidungsbefugnis wurde überdies visuell greif-
bar gemacht, indem sich der Legat als Doppelgänger seines Herrn präsentierte. Er
erschien, so heißt es in der Vita, »mit apostolischen Meßgewändern und Insignien nicht
weniger geschmückt, als ob der Papst selbst herankomme«34. Zugleich mit dem Amts-
ornat sollte offenbar die soziale Adresse und somit die Autorität des apostolischen
Stuhles auf dessen Stellvertreter übertragen werden. Obgleich sie im konkreten Fall
am Widerstand des Mainzer Metropoliten gescheitert war, sollte sich diese Strategie
der raumübergreifenden Identitäts- und Statusdelegation im Medium der Kleidung
innerhalb der kurialen Gesandtschaftspraxis zukünftig bewähren35.
Spätestens im Verlauf des 12. Jahrhunderts tritt das Institut der legati a latere
hervor, die nach Ansicht zeitgenössischer Legisten als alter ego des Papstes amtieren
sollten36: »Sie werden von der Seite des Papstes ausgesandt, weil sie selbst ja auch als Teil
seines Körpers wahrgenommen werden«, so der Kommentar des Kanonisten Heinrich

33 Vgl. zum Konflikt Knut Görich, Der Gandersheimer Streit zur Zeit Ottos III.: Ein Konflikt um
die Metropolitanrechte des Erzbischofs Willigis von Mainz, in: ZRG kan. Abt. 79 (1993), S. 56-
94, hier S. 80f.; Sebastian Scholz, Politik - Selbstverständnis - Selbstdarstellung. Die Päpste in
karolingischer und ottonischer Zeit (Historische Forschungen 26), Stuttgart 2006, S. 382-387.
34 Thangmar, Vita Bernwardi, hrsg. von Georg Heinrich Pertz, MGH SS 4, Hannover 1841, S. 754-
782, c. 22, S. 769: Frithericus cardinalis presbiter sanctae Romanae aecclesiae (...) vicarius domni aposto-
lici eligitur atque dirigitur, apostolicis paramentis atque insigniis non minus infulatus, quam si ipse papa
procedat.
35 Zu den Anfängen zuletzt Claudia Zey, Die Augen des Papstes. Zu Eigenschaften und Vollmach-
ten päpstlicher Legaten, in: Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale
Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., hrsg. von
Jochen Johrendt/Harald Müller (Neue Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu
Göttingen 2), Berlin/New York 2008, S. 77-108, bes. S. 104ff. unter Hervorhebung des Pontifikats
Alexanders III.; Franz Wasner, Fifteenth-Century Texts on the Ceremonial of the Papal >Lega-
tus a latere<, in: Traditio 14 (1958), S. 295-358, hier S. 300; Robert C. Figueira, >Legatus apostolice
sedisc The Pope's >alter ego< according to Thirteenth-Century Canon Law, in: Studi Medievali
27 (1986), S. 528-574; Birgit Studt, Legationen als Instrumente päpstlicher Reform- und
Kreuzzugspropaganda im 15. Jahrhundert, in: Formen und Funktionen öffentlicher Kommuni-
kation im Mittelalter, hrsg. von Gerd Althoff (Vorträge und Forschungen 51), Stuttgart 2001,
S. 421-453, bes. S. 422ff.
36 Vgl. Carl Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus, Tü-
bingen 41924, nach dem Codex Iuris Canonici 1917, can. 266: Dicitur Legatus a latere Cardinalis qui a
Summo Pontifice tanquam alter ego cum hoc titulo mittitur.
 
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