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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0177

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2. Die Spielregeln der Identität

177

Läßt sich die fürstliche Reichspolitik in zahlreichen Fällen regelrecht als Poli-
tik des Ranges uns sozialen Kapitals beschreiben, so werden die verschiedentlich
sichtbaren Proteste im Bezug auf die äußeren Attribute der Statuszugehörigkeit
unmittelbar verständlich. Als etwa auf dem Wormser Reichstag von 1495 unter der
Regie Maximilians I. durch den königlichen Marschall gemalte Kleiderzettel ver-
teilt wurden, geschah dies zunächst mit der Begründung, dass auf diese Weise die
Fürsten in fürstlicher claidung vor den fremden Botschaften und dem zukomenden man
dester zirlicher werden angesehen. Die minutiöse Staffelung der Kleiderattribute nach
dem Rang des Hoftagsbesuchers stieß aber auf den Einspruch des Markgrafen
Friedrichs V. von Brandenburg-Ansbach, der für sich reklamierte, es wer ime zuvil
nachtailig, in der wat als ain slechter Markgraf zu steen. Unter Berufung auf seine
Abkunft aus einem kurfürstlichen Haus ließ er den Kleiderzettel demonstativ an
den Reichsmarschall zurückgehen. Obgleich er als zweiter Sohn des Kurfürsten
Albrecht Achilles keinen Anteil an der Kurwürde besaß, wurde seinem Anliegen
doch statt gegeben. Friedrich erhielt wie gewünscht das herzogliche Gewand zuge-
sprochen, einen langen roten Atlasmantel, mit einem Futter und einem bis auf die
Achseln reichenden Kragen aus weißem Wieselpelz und einen dazu passenden Hut102.
Das Gefahrenpotential einer eigenmächtigen Übertretung der reichsfürstli-
chen Kleiderordnung einerseits und einer kollektiven Akzeptanzverweigerung
andererseits hatte nicht lange zuvor die Begegnung Kaiser Friedrichs III. und Her-
zog Karls des Kühnen von Burgund offenbart. Diplomatisch geriet das in 1473 Trier
abgehaltene Treffen zu einem Fehlschlag103. Der Griff des Burgunderherzogs nach
einer Königskrone scheiterte nicht zuletzt deshalb, weil sein ambitiöses Gebaren
den zeremoniellen Ehrenvorrang der Kurfürsten bei verschiedenen Gelegenheiten
verletzte. Bereits der Gesamteindruck des in überbordender Prachtentfaltung
schwelgenden Kleiderprogramms Karls des Kühnen erzeugte bei einigen Reichs-
angehörigen zugleich Argwohn und Befremden104. Düpiert zeigten sich die Betrof-
102 Vgl. dazu Barbara Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und
Symbolsprache des Alten Reiches, München 2008, S. 58f.; Kirsten O. Frieling, Die feinen Unter-
schiede: Fürstliche Kleidung an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Atelier - Vorbild,
Austausch, Konkurrenz. Höfe und Residenzen in der gegenseitigen Wahrnehmung, hrg. von
Anna Paulina Orlowska/Werner Paravicini/Jörg Wettlaufer (Mitteilungen der Residenzen-
Kommission. Sonderheft 12), Kiel 2009, S. 95-101, S. 99; Selzer, Überlegungen, S. 259f.
103 Ehm, Burgund, S. 117-197; Paravicini, >Magnificences<, S. 348-358; Heribert Müller, Warum
nicht einmal die Herzoge von Burgund das Königtum erlangen wollten und konnten: um 1473,
in: Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, hrsg.
von Bernhard Jussen, München 2005, S. 255-274; Petra Ehm-Schnocks, Der Tag von Trier 1473
und die Grenzen des Reiches: Karl der Kühne, Friedrich III. und die Kurfürsten, in: Außenpoli-
tisches Handeln im ausgehenden Mittelalter: Akteure und Ziele, hrsg. von Sonja Dünnebeil/
Christine Ottner/Anne-Katrin Kunde (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mit-
telalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 27), Wien 2007, S. 143-158; Instruktive Ein-
blicke vermittelt ferner der Katalogabschnitt: Festkultur: Das Fürstentreffen von Kaiser Fried-
rich III. und Karl dem Kühnen in Trier (1473), in: Karl der Kühne (1433-1477). Kunst, Krieg und
Hofkultur, hrsg. von Susan Marti/Till H. Borchert/Gabriele Keck, Stuttgart 2008, S. 262-315.
104 Vgl. entsprechende Bemerkungen bei Ludwig von Eyb der Altere, Schriften (Bericht des
brandenburgischen Gesandten), S. 205: Das alles der k(eiser) und die fürsten besahen und ein befrem-
den dorab entpfingen. Der Bericht des Brügger Propstes Arnoul de Lalaing bei: Philippe de Comi-
nes. Mémoires, hrsg. von Nicolas Lenglet Du-Fresnoy, 4 Bde., London/Paris 1747, Bd. 3, S. 358-
362, S. 260: Tam multorum paupertate constat, ut unus vestiatur. Scis necesse sibi esse velut ex immenso
et inexplebili cupiditate haurire, cui tantum libeat in re modica profundere; ähnlich äußert sich auch
der französische Bischof Thomas Basin, Histoire de Louis XI, hrsg. von Charles Samaran,
 
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