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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0245

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3. Die Spielarten der Auszeichnung

245

kaiserlichen Kanzlei. Dem Papst, der in seinen roten und weißen Gewandstücken
als legitimer Erbe der imperialen Würde Konstantins des Großen und zugleich als
das »lebende Abbild Christi«248 erschien, trat demnach der Kaiser als zweiter Ponti-
fex und gleichwertiges Oberhaupt der Christenheit gegenüber. Die rätselhaft weite
Albe der Reichskleinodien, die wegen ihrer ungewöhnlichen Verwendung als Ober-
gewand verschiedentlich als Beleg einer »fast wäre zu sagen >improvisierten<
Zusammenstellung des friderizianischen Ornates«249 und als »Abbild einer diffu-
sen monarchischen Konzeption«250 qualifiziert wurde, kann somit als Teil einer
ausgeklügelten Selbst ver Ortungsstrategie gedeutet werden.
Indes ist mit einer die sakrale Autonomie des Imperiums betonenden Interpre-
tation nur eine - sicherlich extreme - Lesart der Herrscherkleidung skizziert. Dem
zeitgenössischen Publikum dargeboten wurde explizit nur ein Ensemble von Zei-
chen und Emblemen, das in seinem generellen Bezug auf die christliche Sendung
des römischen Kaisertums in keiner Weise einen Eklat provozieren mußte. Die
Herausforderung gegenüber dem Papst - wenn man von einer solchen überhaupt
sprechen mag - bestand vor allem in der zeichenhaften Demonstration einer gleich-
rangigen Partnerschaft zwischen Koronator und Gekröntem. Vielleicht gerade des-
halb aber besaß die Bildsprache des Herrschermantels trotz aller symbolischen
Diskretion so viel an konfrontativer Durchschlagskraft, daß sie auch in den Phasen
der Eskalation zwischen den Gewalten fortgeführt und intensiviert werden konnte.
In der Panegyrik des Petrus von Vinea mit dem großen Adler des Propheten Eze-
chiel identifiziert251, erschien Friedrich, »den sie mit anderem Namen als Adler be-
zeichnet«252, in den Weissagungen der erythräischen Sibylle geradezu als Personifi-
kation seines imperialen Tiersymbols. Es verweist auf eine beispielhaft erfolgreiche
Identitätspolitik, daß der Staufer und seine Nachkommenschaft im Lichte des
eschatologischen Schrifttums um die Mitte des 13. Jahrhunderts in allegorischer
Deutung als genus aquilae tituliert wurden253. Wenn auch der adlergeschmückte
Mantel bereits in den 1220er Jahren in den Besitz der Metzer Domkirche gelangt
sein mag und Alba, Handschuhe sowie eine mit Adlermedallions bestickte Stola
möglicherweise um die selbe Zeit ins Reich nördlich der Alpen verbracht worden
sind: Friedrichs II. Selbstverortung im Zeichen des Adlers fand ihre konsequente

248 Paravicini Bagliani, Leib, S. 94 und 95.
249 Hermann Fillitz, Die Krönungsgewänder des Heiligen Römischen Reiches und ihr Verhältnis
zu Byzanz, in: Jahrbuch der österreichischen byzantinischen Gesellschaft 4 (1955), S. 123-134,
S. 132. Ders., Die Schatzkammer in Wien, Wien/München 1964, S. 100, meint, die Alba sei unter
Friedrich II. zu einem Untergewand umfunktioniert worden. Dies entspricht indes weder ihrer
relativen Weite noch der später gesichert belegten Trageweise über der Tunicella, wie Fillitz,
S. 138, einräumen muß.
250 Schmid, Reichskleinodien, S. 133.
251 Vgl. Vie et correspondance de Pierre de la Vigne ministre de l'empereur Frédéric IL, hrsg. von
Jean-Louis-Alphonse Huillard-Bréholles, Paris 1865, Nr. 107, S. 425: Hune si quidem terra et pon-
tus adorant, et aethera satis applaudunt, utpote qui mundo verus Imperator à divino provisus culmine,
pacis amicus, charitatis patronus, juris conditor, justiciae conservator, potentiae filius, mundum perpetua
relatione gubernat. Hic est de quo Ezechielis verba proclamant. >Aquila grandis magnarum alarum, longo
membrorum ductu, plena plumis et varietate multiplier.
252 Chronica de quibusdam gestis, ediert in: Alberto Del Monte, La storiografia fiorentina dei
secoli XII e XIII, in: Bullettino dell'Istituto storico italiano per il medio evo 62 (1950), S. 265-282,
S. 277: F., quem alio nomine aquilam nuncupavit.
253 Siehe oben, Anm. 211.
 
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