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Dendorfer, Jürgen [Bearb.]
Das Lehnswesen im Hochmittelalter: Forschungskonstrukte - Quellenbefunde - Deutungsrelevanz — Mittelalter-Forschungen, Band 34: Ostfildern, 2010

DOI Artikel:
Hechberger, Werner,: Das Lehnswesen als Deutungselement der Verfassungsgeschichte von der Aufklärung bis zur Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.34751#0057

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Werner Hechberger

betrifft nicht nur die Frage, in welchen zeitlichen Schritten sich lehnrechtliches
Denken im Mittelalter ausgebreitet hat. Nachgedacht werden könnte auch über
die Frage, ob man das Lehnswesen primär als Rechtssystem sehen soll oder aber
auch als Möglichkeit, soziale und politische Beziehungen und Abhängigkeiten
auf der Basis eines allgemein bekannten Satzes an Normen zu regeln und
darzustellen. Nach wie vor dürfte es sich auch lohnen, über das althergebrachte
Problem der »Staatlichkeit« nachzudenken. Reynolds habe gezeigt, so meint
Michael Bo rapite, dass sich Feudalismus und zentralisierende Staatlichkeit nicht
ausschließen . Das hätte kaum ein Historiker des 19. Jahrhunderts unter-
schrieben, spätestens Heinrich Mitteis allerdings hätte sich mit dieser Vorstellung
wohl grundsätzlich anfreunden können.
An dieser Stelle zeigt sich, dass das Thema sogar über das Mittelalter hinaus
von Bedeutung sein dürfte. Vordringen oder Zurücktreten lehnrechtlicher oder,
allgemeiner formuliert, feudaler Beziehungen sind nicht automatisch kausal
verknüpft mit der »Stärke« oder »Schwäche« eines Gemeinwesens, was auch
immer man darunter genau verstehen mag. Die Alternative zum Lehnsstaat ist
nicht unbedingt der zentralisierte Beamtenstaat. Diese Feststellung verweist auf
einen umfassenderen Kontext, der nicht nur Mediävisten interessiert. Lineare
Entwicklungsmodelle zum Thema «Staatlichkeit» sind in den letzten zwanzig
Jahren in die Kritik geraten, als man die Erfahrung machte, dass auch in der
Gegenwart Staatswerdungsprozesse nicht unumkehrbar sind und Moder-
nisierungstheorien herkömmlicher Art immer mehr Probleme aufwerfen. Die
Frage, was politische Systeme zusammenhält und was sie auseinander fallen
lässt, beschäftigt Politikwissenschaftler und Neuzeithistoriker. Schon ein kurzer
Blick auf die Forschungsgeschichte zum Lehnswesen dürfte zeigen, dass auch
Mediävisten zu diesem Thema etwas beitragen können.

aufgerufen am 1.4.2009); Hans-Werner Goetz, Staatlichkeit, Herrschaftsordnung und Lehns-
wesen im Ostfränkischen Reich als Forschungsprobleme, in: Il feudalesimo nell'alto medioevo
(Settimane di studio 47), Spoleto 2000, S. 85-143; Roman Deutinger, Seit wann gibt es die
Mehrfachvasahität?, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 119, 2002,
S. 78-105; Alfred Haverkamp, Zwölftes Jahrhundert 1125-1198 (Gebhardt. Handbuch der
deutschen Geschichte 5), 10., völlig neu bearb. Auflage, Stuttgart 2003, S. 172 f.; JÜRGEN Den-
dorfer. Was war das Lehnswesen? Zur politischen Bedeutung der Lehnsbindung im
Hochmittelalter, in: Denkweisen und Lebenswelten des Mittelalters, hg. von Eva Schlotheuber,
München 2004, S. 43-64.
53 Vgl. Michael Borgolte, Als es noch Ritter gab, saß der Beamte schon am Schreibtisch, in:
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.11.2000, S. 62; DERS, Hintze (wie Anm. 18), S. 269.
 
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