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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone Titelzusatz:: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,2: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34719#0218

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Königswahl

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Nichtberechtigten, erkennbar ist: Die Königswahl durch die sieben Kurfürsten war zu
einer Selbstverständlichkeit geworden; einhundert Jahre nach der Königswahl Richards
von Cornwall wurde sie in der Goldenen Bulle festgeschrieben und in ihren Einzel-
aspekten geregelt.
Hierbei wurde das alte Herkommen, das durchaus sehr unterschiedlichen Alters
war, festgeschrieben und um neue, bisher unberührte oder unsichere Aspekte ergänzt,
um so eine Eindeutigkeit in zentralen Punkten und damit die Eintracht der Kurfürsten
zu erreichen. Bereits vor der Goldenen Bulle hatte die Orientierung an den älteren
Wahldekreten sowie in manchen Fällen auch die personelle Kontinuität der Wähler
über mehrere Herrschererhebungen hinweg zu einer Verfestigung des rituellen Ab-
laufs geführt. Auf die für die Wahlen von 1308 und 1314 charakteristische Scheidung
zwischen nomznaho durch die einzelnen Kurfürsten und dcHz'o in Form des Kürspruchs
konnte Kaiser Karl IV. noch 1376 zurückgreifen, als bei der Wahl seines Sohnes die bei-
den Akte sogar räumlich getrennt in Rhens und Frankfurt vorgenommen wurden. Bei
Karls eigener Wahl waren hingegen zahlreiche Änderungen im Ablauf vorgenommen
worden, die den spezifischen Umständen dieser Gegenkönigserhebung Rechnung tru-
gen: Die gegen den exkommunizierten Kaiser Ludwig IV. vorgebrachten Ansprüche
des Papsttums fanden ihren Niederschlag in der Beschränkung der Wahl auf die Ab-
gabe der Stimmen, während der Kürspruch und die anschließende Bestätigung der
Wahl durch alle Kurfürsten (dechonem zzpprohzzuzzwMs) unterblieben. Zwar sollten sich
nicht alle Modifikationen als traditions- und normbildend erweisen, doch wird man
den Ereignissen zwischen 1346 und 1356 sicherlich einen entscheidenden Einfluss auf
den Wandel des Wahlrituals beimessen müssen. Hiermit ging einher, dass die Sonder-
rollen mancher Kurfürsten, die mit bestimmten Sequenzen verbunden waren, entfie-
len^ - die Wahl wandelte sich von einem gemeinschaftlich vorgenommenen zu einem
vom Erzbischof von Mainz geleiteten Ritualkomplex.
Die Wahlhandlung selbst wurde in der Goldenen Bulle jedoch nicht en detail ver-
zeichnet, sondern lediglich zentrale Rahmenbedingungen wie die Eröffnung durch die
Messe vom Heiligen Geist, das Ablegen des Eides oder die Reihenfolge der Stimmab-
gabe festgelegt. Die Feier der Messe findet sich zuerst bei der Wahl Ludwigs IV. explizit
erwähnt, so dass bei früheren Wahlen wohl nur vom Singen der Antiphon Venz szzzzcic
spzrzfzzs auszugehen ist/' Bei den späteren Wahlen wiederum fanden Eröffnung und ei-
gentlicher Wahlakt meist an unterschiedlichen Tagen statt, wobei zur Wahl selbst in der
Regel eine Marienmesse gefeiert wurde.
Mit der Altarsetzung auf den Hauptaltar der Bartholomäuskirche war ein zentra-
ler Ritualbaustein der spätmittelalterlichen Königswahlen in der Goldenen Bulle uner-
wähnt geblieben. Den dortigen Bestimmungen trat daher ergänzend ein ozüo ci /ozitzzz
zur Seite, der im Jahr 1411 im Bartholomäusstift in Rückgriff auf die vorangegangenen
Herrschererhebungen von 1376, 1400 und 1410/11 aufgezeichnet wurde und in dem ne-

5 So hatte 1308 noch der Erzbischof von Trier die zzzozzzfz'o cf profeshdz'o verlesen, der Erzbischof von
Köln die Stimmen abgefragt und der Pfalzgraf den Kürspruch vorgenommen.
6 Vgl. hierzu DoTZAUER, Anrufung und Messe zum Heiligen Geist, besonders S. 16-34. Die von
Dotzauer gesehene Beziehung von erstmals sicher belegter Heilig-Geist-Messe 1314 und der mit
der Dreikönigsliturgie verbundenen »Normierung der Krönungsordnung Aachen-Kölns (um
1308)« (S. 26) wäre angesichts der Datierung des Ordo auf >um 1325< allerdings neu zu bewerten.
 
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