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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0107

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106

C. Ungarische Reichsversammlungen

Gesetzgebung. Dieser recht allgemeine Regelbestand wurde während der
Herrschaft von Ladislaus Postumus und Mätyäs Hunyadi, den beiden auf das
Interregnum folgenden Königen, nicht grundlegend überarbeitet oder ergänzt.
Zwar wurden vor allem unter der Herrschaft Vladislavs II. in den 1490er Jah-
ren mehrere Reichstagsdekrete erlassen, die - einander ergänzend - verschie-
dene Aspekte der Struktur und des Verfahrens der Versammlung verbindlich
regelten, so etwa den Modus der Einberufung und der Ortswahl, die Dauer der
Reichstage, die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises oder ihre Verhand-
lungsgegenstände.^ Eine umfassende Kodifizierung der Reichstagsorganisa-
tion wurde jedoch erst im Jahr 1608 vorgenommen.^
Vornehmlich für die Regierung durch einen Reichsverweser konzipiert,
scheinen die von den ungarischen Adeligen 1447 formulierten >Richtlinien< für
die Form von Reichstagen zumindest unter Mätyäs Hunyadi ihre Gültigkeit
bewahrt zu haben. In dessen knapp 30jähriger Herrschaft wurde der Reichstag
zwischen zwanzig und dreißig Mal einberufen.^ Die Versammlung trat - da-
mit dem Dekret von 1447 entsprechend - beinahe jährlich zusammen, mitunter
offenbar auch mehrere Male innerhalb eines Jahres.^

56 Erste Vorgaben zur Teilnahme an den Reichstagen und zu deren Organisation wurden bereits
unter Mätyäs Hunyadi formuliert (1458,1471 und 1486). Vgl. dazu die folgenden Ausführun-
gen sowie für eine Darstellung der maßgeblichen Erlasse Vladislavs II. von 1492,1495,1498,
1504 und 1507 die Ausführungen in Kapitel C.111.2. S. dazu außerdem SCHUBERT, Deutsche
Reichstage, S. 57-60.
57 In dem Dekret, welches König Matyas II. 1608 nach seiner Krönung erließ, wurde festgelegt,
dass die vom König berufenen Reichstagsteilnehmer - organisiert in vier Stände - während
der Sitzungen an zwei Tafeln Platz nehmen mussten. Ihre Stimme und ihr Sitzplatz richtete
sich nach ihrem Titel, wobei Würdenträger, Richter und Magnaten dem Amt nach, Gesandte
der Länder, Städte oder kirchlichen Körperschaften aber der Wahl nach im Reichstag saßen.
GA I des Dekrets von 1608: QMZMzzw sfzzfMS, cf ordiMcs dzozMfMr? Ef z?M; focMW, cf uofzz in pMMicis
dMcffs AzArc &Tczznf. Vgl. CJH 3, S. 24 sowie dazu BÖNis, Feudal Diet, S. 294.
58 Die Ungenauigkeit bei der Angabe der Zahl der abgehaltenen Reichstage ist mit der unter-
schiedlichen Qualität der Quellenlage zu begründen. So schwankt die Gesamtzahl, je nach-
dem ob man diejenigen Versammlungen berücksichtigt, die lediglich durch Einladungen oder
kleinere Vermerke bekannt sind, oder nicht. Teke, Begriff des Dekrets, S. 11. Exemplarisch
kann die Problematik anhand des Jahres 1473 verdeutlicht werden. Im November 1473 berief
König Mätyäs einen Reichstag auf den 8. Dezember desselben Jahres ein. Neben dem Einla-
dungsschreiben (DRH II, S. 210, Anm. 1) weisen eine königliche Instruktion an einige Barone
sowie der Bericht eines venezianischen Gesandten auf diesen Reichstag hin (vgl. BALOGH, A
Müveszet I, S. 684 und MDE II, Nr. 171, S. 245f.). Trotz dieser drei recht expliziten Dokumente
kann mittels des vorliegenden Quellenmaterials nicht rekonstruiert werden, ob und in wel-
cher Weise dieser Reichstag stattgefunden hat.
59 Abgesehen von dem Jahr 1458, als einige Monate nach dem von Reichswürdenträgern einbe-
rufenen Wahltag noch der erste Reichstag unter König Mätyäs abgehalten wurde, kam es auch
in den Jahren 1470,1476,1489 zu zwei Versammlungen binnen eines Jahres; für 1468 und 1488
sind sogar je drei Reichstage bekannt. Trotz vereinzelter Hinweise auf die Reichstage ist nicht
immer auch deren Durchführung eindeutig zu belegen. Vgl. dazu auch Tabelle 2 im Anhang.
 
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