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Weinfurter, Stefan
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

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Schieffer, Rudolf: Papsttum und neue Königreiche im 11./12. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0070

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RUDOLF SCHIEFFER

Papsttum und neue Königreiche
im 11./12. Jahrhundert

Das 1046 durch Heinrich III. auf den Weg gebrachte Reformpapsttum, das eine
lange Phase der Dominanz des römischen Adels über den Stuhl Petri beendete
und sich zunächst nur mühsam in der Ewigen Stadt behaupten konnte, gewann
seine historische Dynamik sehr rasch durch eine neuartige Außenwirkung, die
weit über Rom und sein näheres Umfeld hinausreichte. Indem sich diese von aus-
wärts gekommenen Päpste längst verbreitete Forderungen nach Erneuerung des
kirchlichen Lebens, nach strengerer Beachtung der kanonischen Normen zueigen
machten und zudem Mittel und Wege fanden, um solchen Zielen auch fühlbare
Geltung zu verschaffen, steigerten sie die eigene gesamtkirchliche Sichtbarkeit
und Autorität in zuvor ungekanntem Maße1. Im Laufe nur einer Generation kam
das Potential, das im Gedanken des päpstlichen Universalepiskopats steckte, mehr
und mehr zum Bewusstsein, was sogleich zahlreiche Konflikte mit der zweiten
hierarchischen Ebene der Bischöfe nach sich zog, mittelbar aber auch auf den nach
modernem Empfinden weltlichen Bereich der Politik auszustrahlen begann.
Eine spezifische Autonomie des Politischen hatte freilich in der Auffassung
Papst Gregors VII. von seiner umfassenden Hirtengewalt keinen Platz. Wenn er im
12. Satz seines Dictatus papae von 1075 formulierte, dass es dem römischen Bischof
erlaubt sei, Kaiser abzusetzen2, so war das noch kaum mehr als die sachlogische
Konsequenz aus dem allseits anerkannten Prinzip, wonach allein dem Papst die
Einsetzung des Kaisers zukomme, und im übrigen zu diesem Zeitpunkt von eher
abstrakter Bedeutung, weil es schon seit fast 20 Jahren keinen Kaiser mehr gab (je-
denfalls nicht im lateinischen Westen). Von der Realität der regierenden Könige,
die im Dictatus papae nicht Vorkommen, ist erst 1080 die Rede, als Gregor bei der
endgültigen Bannung und Absetzung Heinrichs IV. die Apostelfürsten Petrus und
Paulus anfleht, der Welt zu zeigen, „dass Ihr, wenn Ihr im Himmel binden und lö-
sen könnt, auch auf Erden Kaiser- und Königreiche {imperia regna), Fürsten- und

1 Vgl. Rudolf Schieffer, Motu proprio. Über die papstgeschichtliche Wende im 11. Jahrhun-
dert, in: Historisches Jahrbuch 122, 2002, S. 27-41; Stefan Weinfurter, Canossa. Die Entzau-
berung der Welt, München 32007.
2 Das Register Gregors VIE, Reg. II 55a, c. 12: Quod illi liceat imperatores deponere, hg. von Erich
Caspar, MGH Epistolae selectae 2, Berlin 1920-1923, S. 204.
 
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