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Gramsch, Robert
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0023

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1. Politische Verflechtungen im spätstaufischen Reich

Prämissen den Blick auf die Frage nach ihrer universalen Geltung. Die Prüfung, inwie-
weit entsprechende kognitive Einstellungen bereits in historischer Zeit begegnen und
- bewusst oder unbewusst - eine Handlungsgrundlage abgeben, wird somit zu einem
eigenen, wichtigen Punkt der Untersuchung.^ Drittens liegt der Ausarbeitung eines
netzwerkanalytischen Begriffsapparats die Hoffnung zugrunde, weitaus komplexere
Verflechtungsphänomene gedanklich durchdringen zu können, als es der Alltagsverstand
vermag. Und viertens kann erst durch die Entwicklung entsprechender mathematisch-
statistischer Analyseverfahren eine Operationalisierung des Netzwerkparadigmas für die
moderne Datenverarbeitungstechnologie erreicht werden, wodurch der „Alltagstheorie"
umfassende neue Einsatzmöglichkeiten erschlossen werden.
Es ist hier nicht der Ort, eine historisch-systematische Einführung in die Netz-
werkanalyse zu geben und etwa generell zur Anwendbarkeit entsprechender Methoden
in der Mediävistik Stellung zu beziehen.^ Ich beschränke mich somit allein auf eine
kurze Vorstellung einiger Grundbegriffe und -konzepte der uHwohc tuitilysis anhand eines
einfachen Beispielfalles, dessen Bekanntheit allgemein vorausgesetzt werden kann: des
Thronfolgestreits von 1002.38
Den bei weitem farbigsten und ausführlichsten Bericht dieser Ereignisse liefert
Thietmar von Merseburg, der zum Teil Augenzeuge der damaligen Ereignisse war und
der auch wegen seiner Nähe zum späteren König und aufgrund seiner Verwandtschaft
mit vielen der an diesem Konflikt beteiligten Akteure als gut informiert zu gelten hat.39
sei „sowieso alles mit allem verbunden" kann bestenfalls als Kapitulation vor der Schwierigkeit
der Aufgabe, vorhandene Verflechtungsstrukturen in der Gesellschaft zu identifizieren, und
nicht als ernstzunehmender Theoriebeitrag gewertet werden.
36 Zur Bedeutung des Verflechtungsansatzes als Erklärung etwa des frühneuzeitlichen Nepo-
tismus siehe REINHARD, ebda. Siehe auch die Fallbeispiele weiter unten und speziell S. 23
(Anm. 41).
3" Einen vorzüglichen Überblick über die Materie bietet das Lehrbuch von JANSEN, Netzwerk-
analyse. Siehe auch die übrigen oben S. 16 (Anm. 19) genannten Titel, jeweils mit zahlreicher
weiterer Literatur.
33 Zu den Vorgängen von 1002, die insbesondere bzgl. der Frage nach dem Verhältnis von
Erbrecht und freiem Fürstenwahlrecht intensiv diskutiert worden sind, vgl. nur die For-
schungsübersicht von EGON BosHOE, Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhun-
dert (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 27), München 1993, S. 69ff., sowie die einschlägige
Heinrich-Biographie von STEFAN WEiNFURTER, Heinrich II. (1002-1024). Herrscher am Ende
der Zeiten, Regensburg 2002, S. 36-58 mit abgeklärtem Urteil über die Brisanz der Erbrechts-
frage (S. 37f.). Weinfurter betont ganz im Sinne des netzwerktheoretischen Paradigmas die
Bedeutung des „Netzes seiner Getreuen" im bayerischen Adel, welches Heinrich II. bei seinem
Griff nach der Krone bedingungslos unterstützte (S. 41f.).
39 T/n'eOnnr uon Mersch/ry: Chronik (Chronicon), neu übertragen und erläutert von WERNER
TRiLLMicH (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, 9), 6. Auf!.,
Darmstadt 1985 (kurz: TC), Buch IV Kap. 50-54, Buch V Kap. 2-22, ferner diesbzgl. Notizen
in TC V/25 und V/39. Zu Person und Werk vgl. nunmehr vor allem KERSTIN ScHULMEYER-
AHL, Der Anfang vom Ende der Ottonen. Konstitutionsbedingungen historiographischer
Nachrichten in der Chronik Thietmars von Merseburg (Millenium Studies, 26), Berlin / New
York 2009, ferner HELMUT LipPELT, Thietmar von Merseburg: Reichsbischof und Chronist
(Mitteldeutsche Forschungen, 72), Köln u.a. 1973, und WERNER GoEZ, Bischof Thietmar von
Merseburg, Geschichtsschreiber, in: DERS., Lebensbilder aus dem Mittelalter. Die Zeit der
Ottonen, Salier und Staufer, 2. Aufl., Darmstadt 1998, S. 106-117. Einen direkten Hinweis auf
Thietmars Nähe zu den geschilderten Ereignissen gibt seine Mitteilung in TC VI/44, er sei
nach mehrfachen Verhandlungen mit seinem Onkel, Markgraf Liuthar von der Nordmark,
am 7. Mai 1002 Propst des Familienklosters Walbeck geworden. Thietmar muss also kurz
 
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