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Gramsch, Robert
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0353

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5. Das Reich als Netzwerk der Fürsten zwischen 1225 und 1235

vielen Punkten auf das Interregnum voraus. So bleibt denn zwar die Aufgabe, eine
moderne Reichsgeschichte der Interregnumszeit zu schreiben, ungelöst, doch kann diese
Untersuchung eine Vorstudie darstellen, an der eine zum Interregnum weiterführende
Arbeit nahtlos anknüpfen könnte.

5.1. Der unterschätzte Herrscher:
Die Regierungszeit Heinrichs (VII.)

Heinrich (VII.), geboren 1211, 1220 zum König gewählt, 1222 gekrönt, 1235 abgesetzt
und 1242 vielleicht durch Selbstmord aus dem Leben geschieden, hat sich - wie schon
die „Klammersieben" im Namen andeutet - im deutschen Geschichtsbewusstsein keinen
sicheren Platz erobern können. Allzu sehr steht er im Schatten seines schillernden Vaters,
allzu hart sind der Kaiser wie auch die zeitgenössische Geschichtsschreibung mit dem
„Rebellen" und „Verbrecher" Heinrich ins Gericht gegangen. Wenig schmeichelhaft sind
die Charakterisierungen, die hinsichtlich seiner Person in der Forschung vorherrschen:
jugendlich-unbedacht oder gar lasterhaft, psychologisch ungefestigt als ein vom Vater
vernachlässigtes Kind, sprunghaft in seinen Entschlüssen, unglücklich in der Wahl seiner
Berater. Versuche zur Objektivierung, die ein „revolutionäres" Regierungsprogramm
Heinrichs als Ursache seines Zerwürfnisses mit dem Vater hervorheben, haben die
Sache nicht wirklich besser gemacht. Schon die neuere Forschung hat gezeigt, dass die
behauptete besondere Städte- und Ministerialenfreundlichkeit von Heinrichs Politik nur
eine optische Täuschung ist. Hartnäckig bis heute gehalten aber hat sich das Urteil,
Heinrich habe es nicht verstanden, den richtigen Umgang mit den deutschen Fürsten
zu finden, und dies habe Friedrich II. schließlich gezwungen, Heinrich abzusetzen. An
dieser Stelle setzt in unserer Untersuchung die Neubewertung des Königtums Heinrichs
an, welche sich - ohne es von vornherein zu wollen - zu einer „Ehrenrettung" des
unglücklichen Königs entwickelt hat: Heinrich (VII.) hat, dies zeigt die analytische
Betrachtung des „Netzwerkes Reich" ganz eindeutig, keineswegs gegen die Fürsten
regiert, und er hat auch in der Wahl seiner fürstlichen Bündnispartner keineswegs ein
besonderes Ungeschick an den Tag gelegt. Ja man wird ihm, im Gegenteil, sogar einen
im Vergleich zum Vater klügeren Umgang mit den Fürsten attestieren können.
Skizzieren wir als Erstes noch einmal im Schnelldurchgang die reichspolitische
Entwicklung zwischen 1225 und 1235, welche durch eine Abfolge von Jahressoziogram-
men in kompakter und vergleichsweise anschaulicher Weise visualisiert werden kann
(Farbtafel 18). Die Tafel fasst die in den Kapiteln 3 und 4 vorgestellten Soziogramme
zusammen und zeigt die (jeweils für ein Jahr stabilen) Kerngruppen in ihrer zeitlichen
Entwicklung. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf die sich wandelnde Gestalt der
dick rot eingezeichneten Bruchlinie zu richten, welche miteinander verfeindete politische
Blöcke, die jeweils aus einer oder aus mehreren Kerngruppen bestehen, gegeneinander
abgrenzt.^
Das Jahr von Heinrichs Mündigwerdung, 1225, war zugleich ein Jahr, in dem sich
eine Vielzahl politischer Spannungen zu einer regelrechten Gesamtkrise des Systems
verband. Die in Farbtafel 18.1. eingezeichnete, durchgehende Bruchlinie verdeutlicht

3

Siehe dazu die Erläuterung auf S. 186.
 
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