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Gramsch, Robert
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0363

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362

5. Das Reich als Netzwerk der Fürsten zwischen 1225 und 1235

die Auswahl der Bündnispartner bestimmt sich danach, mit wem man gemeinsame
Feinde hat („Der Feind meines Feindes ist mein Freund"). Dieses Auswahlprinzip lässt
sich auf Nachbarn, aber eben auch auf räumlich ferner stehende, weniger selbstver-
ständliche Bündnispartner anwenden, es könnte in der Tendenz zur Ausbildung eines
„Schachbrettmusters" von Bündnissen und Gegenbündnissen führen,^ das sehr komplex
gedacht werden kann, aber freilich wegen der damit verbundenen Unhandlichkeit und
Starrheit so idealtypisch in der Realität auch wieder nicht begegnet.

5.2.3. Asymmetrische Schläge
Liegt das Prinzip der „überspringenden" Bündnisbildung schon aufgrund des mbmcMS-
zm'mz'czs-Grundsatzes in den Bündnisverträgen recht nahe, steht es um den Nachweis
asymmetrischer Schläge als politischem Mittel schlechter. Gemeint ist damit, dass man
auf den Angriff eines Gegners nicht mit einem direkten Gegenschlag, sondern mit dem
Angriff auf einen Bündnispartner des Gegners reagiert. Die Quellen machen solche
Zusammenhänge oft nicht namhaft, wiewohl sie bei genauer Rekonstruktion des Ge-
samtgeschehens zuweilen doch sehr plausibel erscheinen, wie in Kapitel 4.2 am Beispiel
des Kriegs in Südostdeutschland 1233 gezeigt worden ist. Auch der Anschlag auf Erzbi-
schof Engelbert könnte (zum Teil) eine asymmetrische Reaktion sein: Mit dem Anschlag
reagierten die lippischen Bündnispartner des Bischofs von Utrecht (darunter Friedrich
von Isenberg) auf die Bedrohung Utrechts durch den Grafen von Geldern, welcher mit
Erzbischof Engelbert verbündet war (Kapitel 2.5).^

5.2.4. „Paketlösungen" in politischen Übereinkommen
Diplomatische „Paketlösungen" als ein Mittel, um widerstreitende Interessen nach dem
„Do Mf &s"-Grundsatz vertraglich auszubalancieren und in machtpolitischen Pattsituatio-
nen (welche in der mittelalterlichen politischen Praxis sehr häufig bestanden) Blockaden
zu überwinden, sind dem Historiker grundsätzlich derart geläufig und begegnen in
konkreten Vertragswerken so häufig, dass man darüber nicht viele Worte verlieren muss.
Dennoch tut sich die Forschung schwer, „Paketlösungen" immer als solche zu erkennen.
Ursächlich hierfür ist die oft isolierte Betrachtung politischer Sachentscheidungen, welche
die Interferenz derselben mit anderen Problemfeldern nicht berücksichtigt. In vorliegen-
der Untersuchung waren verschiedene Beispiele zu nennen, wo (oft schon anhand der
Chronologie höchst naheliegende) Zusammenhänge nicht erkannt worden sind. Dies gilt
etwa für die Verhandlungen zu San Germano im Sommer 1225, in denen die Kreuzzugs-
Zu einem nahe liegenden Vergleichsbeispiel, dem „Schachbrettmuster" politischer Bünd-
nisbildungen der lombardischen Städte zur Zeit Barbarossas, vgl. nur etwa KNUT GöRicn,
Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 227. Eine derart „zerklüftete politi-
sche Landschaft" stellte königliche Herrschaft vor praktisch unlösbare Probleme, da „jede ihrer
Interventionen ... nolens volens eine Parteinahme war" (ebda., S. 236, sowie auch S. 240f.).
Als diplomatisches Mittel, um indirekt Druck auf einen Gegner ausüben zu können, kommen
asymmetrische Strategien zweifellos sehr häufig vor, etwa in der kurialen Diplomatie: Die
Gewährung oder Verweigerung von Ehedispensen etwa dürfte in der Regel stets nur Mittel
zur Erreichung anderer politischer Zwecke gewesen sein, die Begünstigung oder Schädigung
von Akteuren konnte primär auf Dritte, die mit den direkt betroffenen Akteuren negativ oder
positiv verbunden waren, zielen, usw.
 
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