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Gramsch, Robert
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0373

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372

5. Das Reich als Netzwerk der Fürsten zwischen 1225 und 1235

der sich von einer bestimmten (der ostdeutschen) Fürstengruppe in seiner Politik weitge-
hend leiten ließ - auch gegen sein ureigenstes dynastisches Interesse. Dennoch ist zu
betonen, dass keineswegs behauptet werden soll, die Herrscher hätten sich geradezu
willenlos von den Fürsten (oder gar geschickt taktierenden Städtern) führen lassen. Denn
die Aüsw%M, mit welchen Fürstengruppen man sich zur Stützung der eigenen Herrschaft
und zur Verfolgung eigener Interessen verband, lag beim Herrscher, er nahm sie gemäß
seinen eigenen Interessen und in Anbetracht der bestehenden Parteien Verhältnisse vor.
Der Herrscher und die jeweils passenden Fürstengruppen fanden sich gewissermaßen in
einem politischen Tauschgeschäft zusammen, in welchem der König den Fürsten in Ver-
folgung ihrer Einzel- oder Gruppeninteressen seine überlegene Autorität lieh, zugleich
aber symbolisches und soziales Kapital hinzugewann, das seine eigene Herrschaft stützte.
Gerade Friedrich konnte hieraus mehrmals durchaus beträchtlichen politischen Gewinn
ziehen, so 1225 in der Kreuzzugsfrage oder 1230 in der Fürstenvermittlung gegenüber
dem Papst - wobei diese Erfolge vielleicht gerade aus der besonderen Einseitigkeit seiner
Stellungnahme resultierten.

5.3.6. Der Nutzen des Reiches für die Fürsten
Ebenso wenig sollte der hier verfolgte Ansatz, Reichspolitik als Resultante des poli-
tischen Wechselspiels einer Vielzahl politischer Akteure zu verstehen, dahingehend
missverstanden werden, dass das Reich, sprich: das Königtum und der Königshof als
Forum direkter Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse, für die Fürsten entbehrlich
geworden wäre. Auch die noch weitergehende, im Hinblick auf den Niedergang des
staufischen Königtums früher oft formulierte These, die Zentralgewalt sei den auf landes-
herrliche Verselbständigung bedachten Fürsten zunehmend lästig gewesen und deshalb
weggeschoben wurden, ist zurückzuweisen. Dagegen spricht schon jener beschriebene
Grundzug konsensualer Herrschaft, überhaupt nur reaktiv tätig zu werden. Ein solches
Königtum konnte einem zwar auch einmal „lästig" fallen, insbesondere wenn es von
der fürstlichen Konkurrenz instrumentalisiert wurde, in anderen Momenten und bei
entsprechendem eigenen Entgegenkommen aber auch wertvolle Hilfe gewähren. Wie dies
konkret aussah, zeigen viele Beispiele aus dem Untersuchungszeitraum. So etwa beim
königsnahen Erzbischof von Mainz: Als er 1234 durch sein Festhalten an Heinrich (VII.)
sich bei Kaiser und Kurie ins Aus manövriert hatte, wurde er durch ungünstige Entschei-
dungen hinsichtlich Lorsch und Erfurt derart unter Druck gesetzt, dass er sich zu einem
radikalen Kurswechsel entschloss.^ Dieser verbesserte seine Stellung gegenüber den
territorialen Konkurrenten sofort in nachhaltiger Weise. Auch die ostdeutschen Fürsten
nutzten ihren „guten Draht" zum Kaiser wiederholt, um ihnen genehme Entscheidungen
zu erzwingen, wobei vor allem an die Ereignisse 1225/26, 1232 und 1235 zu erinnern
ist. Und selbst allgemein eher „königsferne" Akteure wie die norddeutschen, haben
in bestimmten politischen Situationen noch die Verbindung zu Kaiser- und Königtum
hergestellt, wofür Ereignisse 1226 und 1234 stehen.
Das Wechselspiel von König und Fürsten war also auch um 1235 noch sehr leben-
dig und bot allen Beteiligten Chancen. Dies wirft zu guter Letzt die Frage auf, wie es
in der Folgezeit zum Zusammenbruch dieses Systems kommen konnte, was - soviel
ist weiteren Forschungen vorzugreifen - in der Tat zu einer Auflösung großräumiger
Handlungszusammenhänge und zur Desintegration des „Netzwerkes Reich" führte. Die
4° Und dies, obwohl er kurz zuvor noch in der Abwehr der Ketzerinquisition des Konrad von
Marburg wichtige Rückendeckung durch den König erhalten hatte (Kap. 4.2).
 
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