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Frieling, Kirsten O.
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0162

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2.3 Ein Blick in fürstliche Gewandtruhen

151

Bevölkerungsschichten, allmählich Verbreitung.905 Der Form nach stimmten sie
überwiegend mit den Hemden überein, die tagsüber getragen wurden, waren aller-
dings ein wenig länger und weiter.906 Daneben existierten offenbar weitere Nacht-
gewänder. So wurde 1530 in einen nachtt rock Herzog Johann Friedrichs von Sach-
sen ein Futter eingenäht.907 Außerdem fertigte der Hofschneider für selbigen Fürsten
aus acht Ellen grauen lirisch (?) Tuch eine nachtt hasucken (Nachthussecke) an.908

2.3.2 Aufbewahrung von Gewändern und Materialien
An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert wurden Kleidungsstücke und -materi-
alien größtenteils in Truhen und Schränken verwahrt.909 Während Gewandtruhen
wesentlich älter waren, setzte sich der Kleiderschrank bei Hofe erst im 15. Jahr-
hundert durch.910 Im Herbst 1436 ließ zum Beispiel der Mainzer Erzbischof Dietrich
Schenk von Erbach einen Schrank, der eigens der Aufbewahrung von Gewändern
diente, in sein Gemach in der Oberlahnsteiner Zollburg einbauen. Nachdem zu-
nächst ein Maurer den Auftrag bekommen hatte, von dem kleyderschanck [sic!] uff
myns Herren kümmern in die mure zu brechen und widder zu vermuren, beauftragte man
einen Zimmermann damit, den Schrank mit Holz auszukleiden.911 Gegenüber den
Kleider schränken hatten Gewandtruhen allerdings den Vorteil, daß sie problemlos
zu Reisekoffern umfunktioniert werden konnten.912

905 Lediglich Kranke und Wöchnerinnen behielten auch nachts das Taghemd an, desgleichen
wurde in monastischen Gemeinschaften das Taghemd als Nachthemd getragen. Kühnei
(Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1991, S. 175; Thiel, Geschichte des Kos-
tüms, 2004, S. 176; Piponnier, Mane, Se vêtir, 1995, S. 121-122; Kühnei (Hrsg.), Alltag im Spät-
mittelalter, 1986, S. 267 (Nocturnalschuhe); Delort, Le commerce des fourrures, 1978, S. 489;
Nixdorff, Müller, Weiße Westen - Rote Roben, 1983, S. 104.
906 Thiel, Geschichte des Kostüms, 2004, S. 176.
907 StA Coburg, LA A Nr. I960, fol. 20v.
908 Ebd., fol. 12r. Circa zwanzig Jahre später, um 1550, erwähnen die Verzeichnisse der sächsi-
schen Hofschneiderei >Nachtschauben<, die für die Kurfürstin genäht wurden. Dihle, Kos-
tümbilder und Rechnungsbücher, 1929, S. 131.
909 Zu Truhen und Schränken siehe Langer, Kasten/Truhe, 2005; Kühnei (Hrsg.), Alltag im Spät-
mittelalter, 1986, S. 265-266. Zum Teil werden diese Truhen und Schränke ihrer Lunktion ent-
sprechend als Gewandtruhen bzw. Gewandkästen bezeichnet. Endres, Adelige Lebensformen
in Lranken, 1982, S. 85, macht in den Schlössern des fränkischen Niederadels Wandkästen und
Kalter als Aufbewahrungen für die besseren Kleidungsstücke und sogenannte Sidel (auf-
klappbare Sessel) als Aufbewahrungen für die täglich getragenen Gewänder aus.
910 Langer, Kasten/Truhe, 2005, S. 103; Kühnei (Hrsg.), Alltag im Spätmittelalter, 1986, S. 266.
911 Die Rechnungen der mainzischen Verwaltung in Oberlahnstein, hrsg. von Volk, 1990, S. 123
und S. 128; auch Herrmann, Räume und Einrichtung der Zollburg, 1994, S. 14. Ein zwifacher
gwanttkastlen] befand sich 1488 auf Schloß Sigmundslust in einer Art Vorrats- oder Abstell-
kammer. Zingerle, Mittelalterliche Inventare, 1909, S. 116.
912 Gürtler, Die Wohnkultur, 2000, S. 160. Die Abbildung einer erhaltenen, als Reisekoffer dienen-
den Koffertruhe mit Tragegriffen (Oberitalien, Ende 15. Jahrhundert) findet sich in Circa 1500,
hrsg. von Abate u. a., 2000, Kat.-Nr. 1-13-2, S. 162. Reise besten für die mitzuführende Kleidung
sind für den Hof Herzog Moritz' von Sachsen belegt. Bäumel, Der Kleider-Nachlaß, 1993, S. 95.
Im Vorfeld der Reise König Edwards III. von England auf den Kontinent wurden eigens für
den Transport der königlichen Gewänder (pro iocalibus garderobe imponendis) mehrere eisenbe-
schlagene Koffertruhen angeschafft. Andre, Ein Königshof auf Reisen, 1996, S. 46.
 
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