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Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0334

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3.13. Der Papstwahlkanon des Dritten Laterankonzils

333

Klerus und Volk verwiesen hatten, um daraus im Kampf um die Rechtmäßig-
keit ihrer Papstwahl einen Teil ihrer Legitimation zu ziehen. Indem sich aber
der von einer Minderheit der Kardinale gewählte Papst nicht mehr auf Klerus
und Volk berufen konnte, war die latente Gefahr, dass nicht die Kardinäle,
sondern die Parteinahme von Volk und Klerus eine Papstwahl entschied, hin-
fort ausgeschlossen. Da der Papstwahlkanon von 1179 allerdings die bisheri-
gen Bestimmungen bzw. die bis dahin ausgebildete Papstwahltradition nicht
ersetzen, sondern nur ergänzen sollte, war die Einbeziehung von Klerus und
Volk in den Erhebungsvorgang nicht völlig gegenstandslos geworden. Ge-
ändert hatte sich jedoch die rechtliche Stellung dieser Wählergruppen, deren
Zustimmung nun für die Gültigkeit einer Papstwahl vollends bedeutungslos
geworden und nur noch hinsichtlich der Durchsetzung des Papstes in Rom
und der Wahrung der traditionellen Formen von Belang war. Entsprechend
wurde ihre Zustimmung zur Wahl durch die Kardinäle in den Wahlanzeigen
der folgenden Päpste gar nicht mehr erwähnt, wenn auch in der Wahlanzeige
Gregors VIII. immerhin noch die Rede davon ist, man habe vor der Wahl den
Willen der Bürger erkundet.""^ Indem die Wahl durch die Kardinäte für die
Gültigkeit einer Papstwahl als ausreichend erklärt wurde, war aber nicht nur
die Zustimmung der Wähler gruppen des ehemaligen äußeren Wähler kreises
bedeutungslos geworden, sondern es hatten auch alle auf die Wahl durch die
Kardinäle folgenden zeremoniellen Akte wie die Immantation, Inthronisation,
Akklamation, Krönung usw. ihre für die Papsterhebung konstitutive Dimen-
sion verloren und waren endgültig auf eine rein deklarative Bedeutung redu-
ziert worden.^
Bezüglich der Papstwahlen aber hatte sich damit eine Entwicklung voll-
zogen, wie sie im 12. fahr hundert auch die Bischofs wählen anderer Kirchen
durchliefen: die Verkleinerung des Kreises der Wahlberechtigten hin zu einem
abgeschlossenen Wahlkörper - dort den Domkapiteln, hier dem Kardinal-
kottegium.'"'^ Es mag dabei kein Zufall sein, dass in den päpstlichen Entschei-
dungen seit 1175 die Tendenz festzustellen ist, das Recht der Bischofswahl auf
die Kathedralkapitel zu begrenzen, nachdem Alexander zuvor eine breitere
Wahlkörperschaft akzeptiert hatte, und dass diese Einschränkung ebenso wie

1014 Vgl. die in Anm. 1007 zitierten Wahlanzeigen Urbans III., Gregors VIII., Innocenz' III., Hono-
rius' III. und Gregors IX., die ansonsten allein von der Wahl durch die Kardinäle sprechen,
die sich zur Erhebung eines Nachfolgers für den verstorbenen Papst versammelt hätten.
1015 Vgl. FEINE, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 319, BENSON, Bishop-Elect, S. 162f., und GussoNE,
Thron, S. 289-295, der zugleich darauf verweist, dass es sich dabei um den Abschluss eines
längeren Prozesses handelt, der vor allem aus der Ausbildung des Kardinalkollegiums als
Wahlgremium resultierte. So aber ist die Wahl von 1159 die letzte gewesen, die als mehrtei-
lige Papsterhebung zu beurteilen ist, vgl. FEINE, S. 319, und MALECZEK, Abstimmungsarten,
S. 115.
1016 FEINE, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 319, AppELT, Papstwahlordnung, S. 96. Zur Herausbil-
dung des alleinigen Bischofswahlrechts der Domkapitel u. a. voN BELOw, Entstehung, GAN-
ZER, Bischofswahl, ScHiMMELPFENNiG, Papst- und Bischofswahlen, S. 189-191, der ebd., S. 174,
auch darauf verweist, dass sich seit der Mitte des 12. Jahrhunderts der Kreis der Wähler in
der Rechtstheorie wie der Praxis zu verengen begann und gleichzeitig die Wahlformen prä-
ziser fixiert wurden.
 
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