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Mauntel, Christoph
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0399

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398

VI Vertiefungen

Die Heldenfigur Grand Ferre wird vor allem durch ihre Schlagkraft cha-
rakterisiert: Schon bei der Vorstellung Grand Ferres wird seine Größe und
Stärke, seine Kühnheit und Tatkraft hervorgehoben, die dem bäuerlichen
Kampf maßgeblich zum Sieg verhelfen sollte. Seine schwere Axt, so der
Chronist, habe niemand anderes auch nur anheben könnenA Entsprechend
habe sich sein Ruf verbreitet: Beim zweitem Gefecht heißt es, die Engländer
hätten bereits von Grand Ferre und seinen mächtigen Hieben gehörtA
Mit Grand Ferre feiert der Chronist die körperliche Stärke der „von der
Arbeit ihrer Hände lebenden" einfachen Bevölkerung. Die für landwirt-
schaftliche Arbeit nötige Muskelkraft wurde angesichts der Zwangslage in
militärische Schlagkraft umgesetzt, der der Adel nichts entgegenzusetzen
hatte: Niemand habe sich vor den Hieben Grand Ferres schützen könnenA
Obwohl die Bauern sich in der Darstellung des Chronisten keineswegs gegen
die herrschende Ordnung erhoben, macht die Episode um Grand Ferre doch
die tiefen Gräben deutlich, die nach der Schlacht von Poitiers und der Repres-
sion der Mitte des 14. Jahrhunderts zwischen Landbevölkerung und
Adel klafften. Man traute dem Adel schlicht nicht mehr zu, die Bevölkerung
zu verteidigen, sondern nahm den Kampf gegen die Feinde in die eigenen
Hände.34 Das Heldentum Grand Ferres wird deutlich expliziter durch Ge-
waltausübung konstruiert, als dies bei Bertrand du Guesclin der Fall ist. Ber-
trands Status als professioneller Krieger schließt die Anwendung von Gewalt
grundsätzlich und selbstverständlich mit ein, während Grand Ferre als Bauer
durch sie ausgezeichnet wird. Die Hervorhebung seiner Tatkraft ist damit der
Kern seines Heldentums, während bei Bertrand über die Stellung als Krieger
hinaus verschiedene Tugenden und Wertvorstellungen bedient werden
(mussten).

31 2 Schurken
Anders als Helden bedrohen und negieren Schurken gesellschaftlich geteilte
Normen und WerteA Wird eine Verhaltensform einhellig als deviant abge-
lehnt, festigt dies wiederum die in Frage gestellten Normen und erklärt sie für
weiterhin verbindlich. Anders formuliert: Bestimmte Verhaltensmuster wer-
den erst durch eine eindeutig ablehnende Reaktion als deviant markiertA
Froissart zufolge wurde Louis d'Espagne 1342 von anderen Rittern empört

si f...J dee/n'e fand erat, Mi uä* MMMS domo communis cum duadus mamdus
eam a fern! /euere poferaf ad spahdas. Ebd.
82 Ef in pn'me adüf, adfud die Jorhss/mus Magnus Ferrafus, de (?uo ;'ps; Angd'c; Jam anfea aud/e-
ranf, ef de ejus /chdus HMd/ereM/powderos/s. Ebd..
82 Magno Ferrafo percnh'enfe ef fa/der agenfe, (?nod ;'ps; ad tjns /ch'dns d/ah's non pofnernnf se /Mer/. Ebd.
84 Dies ist der Aspekt, unter dem die Kämpfe in Longueil von der Forschung hauptsächlich
wahrgenommen wurden: Cohn, Lust, S. 36f.; Schmitt, Chroniqueurs, S. 98f.; Wright, Knights,
S. 82f.
88 Cartlidge, Introduction, S. lf.
88 Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie, S. 112 und 118.
 
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