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Bock, Nils
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0036

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Von militärischer Übung zum Kampfspiel

35

Untersuchung in der Geschichtswissenschaft eine historisch-kritische Metho-
dik entwickelt und etabliert worden ist. Selbstverständlich ist auch die Ge-
schichtsschreibung nicht frei von fiktionalen Elementen der narratologischen
Gestaltung, die jedoch zumeist nicht dahingehend zu verstehen sind, dass es
die beschriebenen Ereignisse, Situationen oder Personen nicht gegeben habe,
sondern dass es sie in der beschriebenen Form nicht notwendig gegeben ha-
ben muss. Für die Zeitgenossen scheinen sie aber vorstellbar, möglich und als
wahrscheinlich denkbar gewesen zu sein, was zugleich einen Hinweis darauf
gibt, welche Intention mit der fiktiven Ausgestaltung der Berichte über reale
historische Personen verbunden war. Beispielsweise sollten durch Rückproje-
zierungen der Herkunft von Personen, Familien oder Verfahren Fegitimität
verliehen und ihre aktuell erhobenen Geltungsansprüche untermauert wer-
den, indem niedergeschrieben wurde, was schon immer den Gegebenheiten
hätte entsprochen haben können und erklärtermaßen seit jeher praktiziert
worden sei.69 Diese methodischen Überlegungen gilt es auch bei der nun fol-
genden Analyse der Beziehung zwischen Turnier und Herolden zu berück-
sichtigen.

1.1 Entstehung des Turniers
Am Anfang stellt sich die Frage, warum Frau Minne im eingangs erwähnten
Gedicht überhaupt ein Turnier veranstalten wollte bzw. was die Motive im
Mittelalter waren an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen. Der Autor
Ulrich von Fiechtenstein nennt in seinem im fahr 1255 enstandenen Werk
„Frauendienst" dafür eine ganze Reihe:
Die einen beteiligten sich am Stechen aus hohem Sinn; den anderen
ging es nur um den Gewinn; da tjostierten auch viele Ritter aus kei-
nem anderen Grund, als um der Frauen willen, andere nahmen teil,
um zu lernen; wieder andere, um Ruhm zu gewinnen.70
Ideal, Gewinn, Frauen und Ruhm - diese vier Elemente werden vom Autor als
Beweggründe genannt und können auch im Folgenden als jene Motive festge-
halten werden, die Männer unterschiedlichen Alters im Mittelalter motiviert

Martin Kintzinger: Der neutrale Ort. Konstrukt einer diplomatischen Realität. Ein metho-
disches Experiment, in: Faktum und Konstrukt. Politische Grenzziehungen im Mittelalter.
Verdichtung - Symbolisierungen - Reflexionen, hgg. von Nils BOCK, Georg JOSTKLEIGREWE,
Bastian Walter, Münster 2011 (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Werte-
systeme, 35), S. 111-138, hier S. 127-132.
Den tac diu ritterschaft so wert,\daz ez der man vant swie er gert;\die stachen hie durch hohen
muot,\die andern dort wan umb daz guot,\da tyostirt manges ritters lip\ durch anders niht wan
durch diu wip, I so stachen die durch lernen da,\jan durch pris dort anderswa. Ulrich von Liechten-
stein: Frauendienst, hg. von Franz Viktor SPECHTLER, Göppingen 1987 (Göppinger Arbeiten
zur Germanistik, 485), Strophe 210, 3-8.
 
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