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Bock, Nils
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0043

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Entwicklung. Die Rolle der Herolde im mittelalterlichen Turnier

Welt und traten in privilegierte Beziehungen zu den Adligen, deren Wappen
sie hinfort trugen.94
Insofern ähnelten die Fahrenden den Dichtern, die allerdings demselben
Stand angehörten wie die adligen Kämpfer. Die Darstellungen der Dichter
hatten nicht nur die Verkündigung des Ruhms der Kämpfer zum Zweck, son-
dern wirkten durch ihre Bezugnahme auf Standesqualitäten sehr viel nachhal-
tiger. Mit ihren Werken wird das Selbstverständnis des Standes mit seinen
Wert- und Glaubensvorstellungen beschrieben. Die Spannung zwischen Ideal
und Wirklichkeit kam schon zur Sprache und ist für die Werke der Dichter
bezeichnend. Da aber auch sie idealisierten Vorstellungen Platz in ihren Wer-
ken einräumten und regelkonformes Verhalten, wie die Fahrenden, positiv
verstärkten, bewirkten beide, dass das ritterliche Ideal Einfluss auf die Wirk-
lichkeit nahm. Deutlich hat dies fosef Fleckenstein am Beispiel der Entstehung
einer neuen Form des Turniers gemacht, der tabula rotunda (Tafelrunde), die
unmissverständlich an den Artus-Sagenkreis anknüpfte und sich als ihre rit-
terliche Imitation darstellte.95
1.3 Literarisierung und Verspielung des Turniers im späten Mittelalter
Die Entstehung dieser neuen Turnierform macht auf zwei Tendenzen der
Entwicklung des Turniers ab dem 13. fahrhundert aufmerksam: seine Literari-
sierung auf der Basis des arthurianischen Sagenkreises und seine ,Verspie-
lung'. Unter ,Verspielung' versteht man Maßnahmen wie die Einführung ab-
gestumpfter Turnierwaffen und die Etablierung allgemeingültiger Spielregeln,
die das Turnier vom gefährlichen Massenkampf zum sichereren Tjost und
schließlich zum französischen Pas d'armes und deutschem Kolbenturnier wei-
terentwickelten. Dies geht einher mit dem in der Einleitung schon aufgezeig-
ten Trend der Internalisierung der adligen Ehre im Spätmittelalter, konkret
also der Suche nach persönlicher Auszeichnung und dem Erhalt von Ansehen.
Das daraus resultierende Bedürfnis nach Zurschaustellung persönlichen Er-
folgs leistete Vorschub für den Wandel des Turniers vom ursprünglichen
Mannschaftskampf zum Zweikampf in Form des Tjosts.96 Eingebettet ist dies
in einen allgemeinen Prozess zunehmender Stilisierung und Formalisierung
des Turniers im Laufe des späten Mittelalters, der sich vor allem anhand der
Organisation und der Turnierregeln ablesen lässt. Aus diesem Grund stellt das
folgende Kapitel die verschiedenen Turnierformen nach chronologischer und
regionaler Ordnung vor.

94 Maria Dobozy: Beschenkungspolitik und die Erschaffung von Ruhm am Beispiel der fahren-
den Sänger, in: Frühmittelalterliche Studien 26 (1992), S. 353-367, hier S. 366-367. Zur Inter-
pretation des Aktes als essentiellen sozioökonomischen Austauschprozess siehe Keupp, Ver-
schwendung.
95 Fleckenstein, Turnier, S. 254.
96 Torsten HlLTMANN: Art. Kampfspiel, in: Enzyklopädie des Mittelalters, Bd. 1, hgg. von Gert
Melville, Martial Staub, Darmstadt 2008, S. 280-281.
 
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