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Bock, Nils
Die Herolde im römisch-deutschen Reich: Studie zur adligen Kommunikation im späten Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 49: Ostfildern, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.38798#0241

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Medium adliger Kommunikation

7.1 Konfliktführung und -beilegung: Begriffsklärung
Zentral für das Verständnis der Rolle der Herolde innerhalb adliger Konflikte
und deren Verlauf sind die Formen der Ankündigung von Konflikten. Die
spezifisch-adlige Form bildet die Absage (lateinisch: diffidatici, französisch:
défi), durch die im Kontext adliger Fehdeführung öffentlich das Vertrauen
zwischen zwei Personen aufgekündigt wurde, was der Ankündigung von
Feindschaft gleichkommt. Vor dem Hintergrund eines fehlenden staatlichen
Gewaltmonopols und der Verfassungsstruktur des römisch-deutschen Reiches
wurden Regeln und Verlauf von Konflikten unter den Adligen verhandelt,
wobei die Fehde als Rechtsinstitut prägend für viele Bereiche blieb. Seit dem
12. Jahrhundert ist die diffidatio als Form der Aufkündigung von Treue vor der
Fehde gegen den Lehnsherrn im römisch-deutschen Reich bekannt.721 Diese
Vorstellung von der Absage als formalrechtlicher Akt vor dem Beginn von
Kampfhandlungen wurde auf jede Art von kriegerischen Handlungen über-
tragen, was sogar soweit ging, dass Friedrich I. rückwirkend eine Absage an
Saladin zugeschrieben wurde.722 Eine äußere Form wurde erst mit der Über-
721 Der Versuch ihrer Durchsetzung findet sich im Nürnberger Reichslandfrieden Friedrichs I.
von 1186: Statuimus etiam et eodem firmiter edicto sancimus, ut quicumque alii damnum facere aut
ipsum ledere intendat, tribus ad minus ante diebus per certum nuntium suum diffiduciet eum. Quod
si Iesus diffiduciatum se fuisse negare voluerit, nuntius idem, si vivus est, iuret, quod contradixerit ei
ex parte domini sui loco et tempore designato. Si mortuus est nuntius, iuret dominus, iunctis sibi
duobus veracibus viris, quod contradixerit ei, ne dolo mediante de fide violata quis possit inculpari.
Constitutiones et acta publica imperatorum et regum inde ab a. DCCCCXI usque ad a.
MCXCVII (911-1197), hg. von Ludwig Weiland, Hannover 2003 (ND Hannover 1893) (MGH
Const. 1), Nr. 318, S. 451, § 17. Vgl. zur Entwicklung weiterhin grundlegend Kurt-Georg
CRAM: Iudicium belli. Zum Rechtscharakter des Krieges im deutschen Mittelalter, Köln (u.a.)
1955 (Archiv für Kulturgeschichte, 5). Die von Otto Brunner aufgestellte und von Kurt-Georg
Cram herangezogene These, wonach Kriege große Fehden waren und aus diesem Grund die
Absage logischerweise auch bei Kriegen Anwendung fand, lässt sich in dieser Weise nicht
mehr halten; Otto Brunner: Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfas-
sungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Darmstadt 1981 (ND Wien 19655). Die aktuelle
Forschung weist der Fehde einen spezifischen Rechtscharakter zu, wohingegen Krieg bzw.
kriegerische Auseinandersetzzungen als allgemeiner Begriff für militärische Konflikte ge-
nutzt wird: Kurt Andermann: Raubritter, Raubfürsten, Raubbürger? Zur Kritik eines un-
tauglichen Begriffs, in: „Raubritter" oder „Rechtschaffene vom Adel"? Aspekte von Politik,
Friede und Recht im späten Mittelalter, hg. von Dems., Sigmaringen 1997 (Oberrheinische
Studien, 14), S. 9-29, hier S. 16-17; Peter MORAW: Staat und Krieg im deutschen Spätmittelal-
ter, in: Staat und Krieg. Vom Mittelalter bis zur Moderne, hg. von Werner RÖSENER, Göttin-
gen 2000, S. 82-112; Christine Reinle: Bauernfehden. Studien zur Fehdeführung Nichtadliger
im spätmittelalterlichen römisch-deutschen Reich, besonders in den bayerischen Herzogtü-
mern, Stuttgart 2003 (Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte,
170); Gabriel Zeilinger: Lebensformen im Krieg. Eine Alltags- und Erfahrungsgeschichte des
süddeutschen Städtekrieges 1449/50, Stuttgart 2007 (Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirt-
schaftsgeschichte. Beiheft, 196), S. 14-24.
722 In die Kompilation des Itinerarium Regis Ricard aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts
wurde eine Absage Barbarossas an Saladin aufgenommen. Dazu vermerkt der Autor, dass et
quia imperialis maiestas neminem citra diffiduciationem impetit, hostibus suis bella semper indicit,
destinatur ab imperatore nuncius cum litteris suis signatis ad Salahadinum, ut vel Christianorum
universitati, quam lesit, satisfaciat in plenum vel diffiduciatus se preparet ad congressum. Fontes his-
toriae iuris gentium, Bd. 1, hg. von Wilhelm Grewe, Berlin (u.a.) 1995 (MGH SS 27), S. 197.
Interessant ist dabei, dass Cram „nuntius" mit Herold übersetzt, er also einen Anachronis-
 
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