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Bölling, Jörg; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]
Zwischen Regnum und Sacerdotium: Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien im Sachsen der Salierzeit (1024-1125) — Mittelalter-Forschungen, Band 52: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51257#0230

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3. Osnabrück - Stadt und Bistum

229

ersten Brief zufolge von Petrus selbst eingesetzt worden war und dem Bischof
Benno II. eine besondere Wertschätzung entgegenbrachte.1226
Für die Frage der neben Petrus bedeutsamen Dompatrozinien sind auch
andere Objekte des Domschatzes aussagekräftig: ein fatimidisches Schachspiel
und eine Krone. Beides wurde zumindest seit 1648 Karl dem Großen zuge-
schrieben, ferner ein nicht näher bestimmbarer Stab und ein liturgischer
Kamm.1227 Waren bereits Crispin und Crispinian als vermeintlich schon ur-
sprüngliche Nebenpatrone des Apostelfürsten nur deshalb im 11. Jahrhundert so
wichtig geworden, weil Benno II. mit ihnen an Einfluss in seinem Bistum und an
Autorität in Auseinandersetzungen mit Klöstern und entschiedenen Parteigän-
gern Gregors VII. gewinnen konnte, so lieferten vermeintlich kaiserliche
Schatzstücke, die für die Liturgie einer Kathedrale letztlich unbrauchbar waren,
den Nachweis der karolingischen Gründung. In dem Maße, indem man Kaiser
Karl nicht nur als rex et sacerdos, sondern sogar als sanctus verehrte, überhöhte
man auch völlig profane, wenngleich materiell kostbare Alltagsgegenstände. Bei
diesen suchte man die nordafrikanische Herkunft zu verschleiern, um sie zu
sakralisieren, während man bei Crispin und Crispinian umgekehrt eine Trans-
lation aus Soissons oder Rom postulieren musste, ohne einen entsprechenden
Bericht in Händen zu halten. Wie in Minden war man daher besonders auf die
Passio der Heiligen angewiesen.
b) Historisierende Hagiographie. Die Passio von Crispin und Crispinian
Im Unterschied zu Bremen und Minden verfügt Osnabrück über keine eigenen
hochmittelalterlichen hagiographischen Texte. Einzig die Passio von Crispin und
Crispinian muss eine gewisse Bedeutung gehabt haben. Diese lässt sich aber nur
im Nachhinein postulieren, und zwar nicht aufgrund von Textzeugnissen, son-
dern durch die erhaltenen Reliquien und deren urkundliche Nachweise.1228
Lagen die Reliquien vor, so sollte traditionsgemäß auch eine Passio mitgegeben
worden sein.1229 Daher gilt es, den Inhalt der Passio und die Verbreitung der
Reliquien von Crispin und Crispinian näher zu betrachten, auch wenn keine
eigene Osnabrücker Version oder auch nur Abschrift vom Martyriumsbericht
der Heiligen erhalten ist.

1226 S. dazu oben Anm. 83 und 659.
1227 Schnackenburg, Der Osnabrücker Domschatz, S. 327-329 mit Abb. 1-4 (angeblicher Stab,
Schachfiguren, Krone und Kamm Karls des Großen). S. dazu auch Queckenstedt, „Karl ist unser
großer Wohltäter".
1228 Vgl. oben Seegrün, Crispin und Crispinian, S. 184-189; Röckelein, Reliquientranslationen nach
Sachsen, S. 29 mit Anm. 91. In Frage kommt die überlieferte Passio (BHL 1990) oder eine Zu-
sammenfassung (Epitome, BHL 1991-1993).
1229 So argumentiert zu Recht bereits Seegrün, Crispin und Crispinian, S. 188 mit Anm. 36. Zum
Zusammenhang von Reliquien- und Passio-Erwerb bei Gorgonius in Minden s. oben bei Anm.
1011. Entsprechendes lässt sich auch für die Ankunft des heiligen Vitus in Corvey nach weisen;
vgl. Röckelein, Reliquientranslationen, S. 176.
 
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