Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohmen, Linda; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [Editor]; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Ursache allen Übels: Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger — Mittelalter-Forschungen, Band 53: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51256#0092

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
3. Die Ehe des königlichen Paares

91

Tugendhaftigkeit; sie verweisen auf die Rolle der Königin als keusche und treue
Ehefrau und Mutter.
Insbesondere der , Elf-Formeln Ordo' deutet aber auch noch ein weiteres
Betätigungsfeld einer frühmittelalterlichen Königin an. In Bezugnahme auf die
biblische Esther wird die Königin hier zur consors regni, zur Teilhaberin an der
Herrschaft ihres Mannes, zur Fürsprecherin und Vermittlerin für die Belange
ihres Volkes. Als solche sind frühmittelalterliche Herrschergemahlinnen tat-
sächlich bereits in merowingischer, aber dann verstärkt in karolingischer Zeit in
Form von Interventionen in Urkundengeschäften bezeugt. Allerdings ist es
schwierig, von der Häufigkeit derartiger Interventionen auf ein besonderes po-
litisches Gewicht einer Königin zu schließen oder vielmehr umgekehrt von ihrem
Fehlen auf einen geringen Einfluss oder eine schwache Stellung der jeweiligen
Herrschergemahlin. Darüber hinaus gehört politisches Engagement gewisser-
maßen nicht zum, Anforderungskatalog' einer frühmittelalterlichen Königin. Sie
konnte - sicherlich abhängig von ihrem Verhältnis zu ihrem Mann und ihrem
sozialen Netzwerk - politisch aktiv sein; erwartet wurde dies aber nicht von ihr.
In erster Linie definierte sich die Rolle der Königin also tatsächlich aus der
Rolle der Ehefrau. Das heißt nicht, dass nicht auch Herrscherwitwen über den
Tod ihres Mannes hinaus als Königin gelten konnten. Nicht selten nahmen sie
deren Funktionen wahr, bis der neue König, ihr Sohn, sich verheiratete und
damit mit einer eigenen Königin aufwarten konnte. Bisweilen erscheinen gar
Königstöchter in Quellen unter der Ehrenbezeichnung regina. Auch sie konnten
die repräsentativen Aufgaben einer Königin wahmehmen. Einen offiziellen Titel
,regina' scheint es weder bei Merowingern noch bei Karolingern gegeben zu
haben. Vielmehr ist in Herrscherurkunden regelmäßig von der dilect(issim)a
coniux die Rede. Dennoch können die Gemahlinnen insbesondere der Karolinger
zweifellos als Königinnen bezeichnet werden - sie nahmen nicht nur die be-
schriebenen Funktionen wahr, sondern hatten eine besondere Stellung inne - im
neunten Jahrhundert wurde diese teilweise gar sakrale Erhöhung unter anderem
immer öfter durch Krönung und Salbung zum Ausdruck gebracht.

3. Die Ehe des königlichen Paares
Das verstärkte Vorkommen von Zeugnissen über Krönungen von Königinnen
sowie die erstmalige Überlieferung entsprechender Ordines in karolingischer
Zeit erklären sich sicherlich nicht nur aus einer weiter verbreiteten Schriftlichkeit
und damit verbunden einer besseren Überlieferungslage. Auch Texte wie
Hinkmars ,De ordine palatii' sowie die unter den Karolingern florierende
Fürstenspiegelliteratur, die im Folgenden verstärkte Ausmerksamkeit erlangen
wird, sprechen dafür, dass mit dem Dynastiewechsel von 751 nicht nur eine
Sakralisierung, sondern gewissermaßen eine stärkere Theoretisierung des Kö-
nigtums einherging, die auch die Gemahlin des Königs und die königliche Ehe
umfasste.
 
Annotationen