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Dohmen, Linda; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [Editor]; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Ursache allen Übels: Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger — Mittelalter-Forschungen, Band 53: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51256#0110

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I. Der Idealtypus? - der Fall Judith'

1. Judiths Herkunft und Heirat mit Ludwig dem Frommen
Judith, die zweite Gemahlin Kaiser Ludwigs des Frommen, ist eine der schil-
lerndsten und bestbezeugten Frauengestalten des neunten Jahrhunderts, nicht
zuletzt weil sie im Zentrum gleich zweier Auf stände gegen ihren Mann stand. In
deren Kontext wurde ihr unter anderem vorgeworfen, mit Bernhard, dem Grafen
von Barcelona und Kämmerer Ludwigs des Frommen, Ehebruch begangen zu
haben.
Als Judith im Jahr 819 mit vielleicht gerade einmal 15 Jahren den fast dreimal
so alten und frisch verwitweten Kaiser Ludwig den Frommen heiratete, ver-
merkten die sogenannten Fränkischen Reichsannalen, es handele sich bei der
Braut um eine Tochter des Grafen Welf, für die sich der Kaiser nach einer Mus-
terung der „meisten Töchter der Adligen" entschieden habe - nach Thegan, dem
Biographen Ludwigs des Frommen, aufgrund der außergewöhnlichen Schön-
heit der jungfräulichen Judith, die auch von anderen Zeitgenossen gerühmt
wird.1
Angesichts der späteren Auseinandersetzungen um die Nachfolge Ludwigs
des Frommen, die sich auch an der Person des Judith-Sohnes Karl und überhaupt
an Judith entzündeten, hat die Forschung mit der Frage gerungen, warum der
Kaiser so bald nach dem Tod seiner ersten Gemahlin Irmingard (818) erneut
heiratete, obwohl er ja bereits drei Söhne und seit der sogenannten ,Ordinatio
imperii' von 817 einen festen Plan für seine Nachfolge hatte.2 Dabei ist besonders
Judiths familiäre Herkunft in den Fokus gerückt, die auch Thegan neben ihrer

1 Annales regni Francorum, ed. Kurze, a. 819, S. 150: Quo peracto Imperator inspectis plerisque no-
bilium filiabus Huelpi comitis filiam nomine ludith duxit uxorem (zu den Annalen und ihrer Ver-
fasserschaft McKitterick, Constructing the past, S. 116f., S. 124; zu Hilduin von St-Denis für die
Jahre 814-827 Monod, Etudes critiques, S. 131 f.; dann Malbos, L'annaliste royal, die, S. 233,
Helisachar als dessen „collaborateur" bezeichnet; zu Hilduins Rolle im Sinne einer Oberauf-
sicht' Nelson, The ,Annals of St Bertin', S. 24; Nelson, Introduction, S. 4f.); Thegan, Gesta Hlu-
dowici, ed. Tremp, c. 26, S. 214: Sequenti vero anno [d. i. ein Jahr nach dem Tod der Kaiserin
Irmingard] accepit <in coniugium> filiam Huuelfi ducis sui, qui erat de nobilissima progenie Baioario-
rum, et nomen virginis ludith, que erat ex parte matris, cuius nomen Eigiluui, nobilissimi generis
Saxonici, eamque reginam constituit; erat enim pulchra valde (zu Thegan unten Anm. 22); zur
„Brautschau" von 819 nach möglicherweise byzantinischem Vorbild de Jong, Bride shows,
S. 257 ff., die aber, bes. S. 276 f., die altestamentarischen Bezüge (Est 2,2 ff., 2,8-17) stärker betont;
vgl. auch Koch, Kaiserin Judith, S. 35-38. Zu Judiths Schönheit Walahfrid, De imagine Tetrici, ed.
Herren, Z. 147f., S. 127; Ermoldus, In honorem Hludowici, ed. Faral, IV, z.B. S. 200, Z. 2644;
Agobard, Liber Apologeticus I, ed. van Acker, in: Agobardi Lugdunensis Opera omnia, Nr. 20,
S. 307-312, c. 5, S. 312; zu diesen Quellen unten Anm. 55 (Agobard), 292 (Ermold) und 222
(Walahfrid). Vgl. auch Garver, Women, S. 46 f.
2 Ordinatio imperii (Juli 817), ed. Boretius, in: Capitularia regum Francorum 1, Nr. 136, S. 270-273.
Zur Ordinatio imperii' auch unten, bes. Anm. 316 und 317.
 
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