Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohmen, Linda; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [Editor]; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Ursache allen Übels: Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger — Mittelalter-Forschungen, Band 53: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51256#0126

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
3. Urheber und Vertreter der Vorwürfe

125

entfernt worden sei, ihr dafür jedoch andere Verbrecher gedient hätten,91 bezieht
sich das auf die verhängnisvolle Macht, die sie über ihren Mann ausgeübt habe,
und wohl kaum auf weitere ehebrecherische Affären. Nach ihrer Rückkehr an
Justinians Seite habe Justina Arsenins mit unversöhnlichem Hass verfolgt. So wie
einst Brunichilde den heiligen Columban ins Exil geschickt hätte, so habe auch
Justina für Arsenins' Verbannung und Gunstverlust gesorgt.92 Auch dass der
Kaiser auf dem Lügenfeld zu Colmar nicht auf den Papst gehört habe, sei
letztendlich auf die Einflüsterungen einer Frau zurückzuführen, wie bereits Eva
Adam zum Bösen verführt habe.93
Neben unterschiedlichen causae scribendi unterscheiden sich Agobards ,Libri
apologetici' und Radberts, Epitaphium Arsenii' insbesondere in der Beurteilung
Bernhards. So findet dieser bei Agobard mit keinem Wort Erwähnung, auch
wenn der Erzbischof wiederholt auf Judiths Ehebruch anspielt, an dem ja
zweifellos noch (mindestens) eine weitere Person beteiligt gewesen sein musste.
Bei Radbert hingegen steht Bernhard im Mittelpunkt alles Bösen, gegen das sich
sein Held Wala gewandt habe. Naso ist der Tyrann, der Planer eines Herr-
schermordes und Eindringling in die kaiserliche Ehe. Judith kommt dabei zwar
keine passive Rolle im Sinne einer Opferrolle zu, wie dies Thegan für sie im Sinn
hat, doch dient Justina Radbert vor allem zur Illustration von Nasos Schlech-
tigkeit und der Notwendigkeit des Eingreifens durch Arsenius und ist insofern
zumindest beim ersten Aufstand von 830 gewissermaßen Beiwerk.94
In den wesentlichen Punkten ihrer Kritik an der Kaiserin sind sich Agobard
und Radbert aber einig. Judith habe das Bett des Kaisers entehrt, so schamlos,
dass es schließlich allen am Hofe außer Ludwig selbst bewusst gewesen sei.
Diesen habe sie nahezu vollkommen unter ihrer Kontrolle gehabt; er habe nur
noch auf sie und auf jene gehört, die ihr nahestanden. Dies ist auch der Vorwurf,
den beide Autoren bezüglich des zweiten Aufstands gegen Ludwig den From-
men erheben - Agobard als Rechtfertigung zukünftiger bzw. sich gerade voll-
ziehender Handlungen, Radbert aus der Retrospektive zur Verteidigung Walas.

3. Urheber und Vertreter der Vorwürfe
Obschon auf der Aachener Reichsversammlung vom Februar 831, auf der die
Vorwürfe gegen Judith verhandelt wurden, offenbar niemand mehr auftrat, um

91 Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, ed. Dümmler, II, c. 16, S. 84: [...] timentes [d. i. eine im
Juni 833 entsandte Gruppe um Wala, der auch Radbert angehörte] ne non venire ad destinatum
licuisset, quia omnino, si compertum esset, artior nos susciperet custodia, quam olim ei esset inlata, quia
erat cum augusto lustina tune temporis, quae movebat totius monarchiae rursus sceptra, concitabat
fluctus et maria, impellebat ventos, et corda virorum ad omnia quae vellet convertebat, a qua quia unum
eiecerant, de quo diximus, flagitiosissimum, alii serviebant facinorosissimi.
92 Ebd., c. 23, S. 94; zur Verfolgung Columbans durch Brunichilde Nelson, Queens.
93 Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, ed. Dümmler, II, c. 17, S. 88.
94 Ähnlich Ward, Agobard, S. 21 f.
 
Annotationen