5. Motive der Beteiligten
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essen gedient habe,184 gibt er die Verantwortung für die Ereignisse von 833 an die
Söhne weiter, die in ihrem Eifer, vielleicht auch in ihrer Gier, über das Ziel
hinausgeschossen seien und den von Gott gewollten Herrscher zur Abdankung
gezwungen hätten.185
5. Motive der Beteiligten
Aus Sicht der Aufständischen stellen sich damit die Motive beider Aufstände
sehr eindeutig dar. Besonders 830 steht der Vorwurf des Ehebruchs und anderer
moralischer Verfehlungen, denen Einhalt geboten werden musste, im Zentrum.
Nach Radbert galt es zudem, den Herrschermord zu verhindern.
In den Augen der kaiserfreundlichen Autoren war die Bewegung dagegen
ganz anders motiviert. Selbst der Astronomus, der seine Vita erst nach dem Tod
Ludwigs des Frommen verfasste und als einziger der zeitgenössischen Histo-
riographen „offenbar in einem Loyalitätsverhältnis"186 zu Lothar stand, wertet,
sicherlich beeinflusst durch sein Wissen um Ludwigs Absetzung 833, bereits die
Ereignisse des Frühjahrs 830 als Aufstand gegen den Kaiser. Dabei thematisiert
er explizit die vermeintlich hehren Motive der Verschwörer und identifiziert sie
als frevelhafte Bemäntelung der Tatsache, dass es ihnen, d. h. den Großen und
namentlich Pippin, in Wahrheit um die Mehrung des eigenen Vorteils gegangen
sei.187
In Hinblick auf die Frage nach den Motiven der Auf stände und konkret des
Ehebruchsvorwurfs gegen Judith stehen sich demnach zwei grundsätzlich un-
terschiedliche Erklärungen gegenüber. Während die aus Sicht der Aufständi-
schen geschriebenen Quellen die altruistische Begründetheit deren Handelns
hervorheben, werden in der pro-kaiserlichen Geschichtsschreibung direkt oder
indirekt eigennützige, egoistische Motive als Erklärung für den Aufstand gegen
den göttlich legitimierten Herrscher herangezogen. In Max Webers Verständnis'
sozialen Handelns,zweckrational' sind dabei beide Argumentationen, wobei die
der Aufständischen zusätzlich die hinter ihrem Handeln stehenden Werte betont
wissen möchte und zumindest ein mit Weber eindeutig ,wertrationales' Argu-
ment188 enthält: dass nämlich der Bruch einer Ehe, insbesondere einer Herr-
184 Z. B. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, ed. Dümmler, II, c. 8, S. 68: [...] voluit [d. i. Wala],
et resistere profide regni et regis [...], c. 10, S. 73: Talis quippe est infidelitas Arsenii, falso ut opinantur
[...].
185 Z. B. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, ed. Dümmler, II, c. 19, S. 90.
186 Tremp, Einleitung. B. Astronomus, S. 67f., Zitat S. 67; vgL noch ausführlicher ders., Die Überlie-
ferung, S.138-148.
187 Astronomus, Vita Hludowici, ed. Tremp, c. 44, S. 456: Oportere ergo, dicebant, bonum filium [d. i.
Pippin] indigneferre dedecus paternum, ablatisque e medio talibus patrem restituere et menti et dignitati,
et hec agentem non solum fama prosequeretur virtutis, sed etiam amplificatio regni terrestris - hoc
praetextentes nomine culpam; auch ebd., S. 454/456, zitiert oben Anm. 145.
188 Vgl. dazu die methodischen Überlegungen oben Kap. A.I.
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essen gedient habe,184 gibt er die Verantwortung für die Ereignisse von 833 an die
Söhne weiter, die in ihrem Eifer, vielleicht auch in ihrer Gier, über das Ziel
hinausgeschossen seien und den von Gott gewollten Herrscher zur Abdankung
gezwungen hätten.185
5. Motive der Beteiligten
Aus Sicht der Aufständischen stellen sich damit die Motive beider Aufstände
sehr eindeutig dar. Besonders 830 steht der Vorwurf des Ehebruchs und anderer
moralischer Verfehlungen, denen Einhalt geboten werden musste, im Zentrum.
Nach Radbert galt es zudem, den Herrschermord zu verhindern.
In den Augen der kaiserfreundlichen Autoren war die Bewegung dagegen
ganz anders motiviert. Selbst der Astronomus, der seine Vita erst nach dem Tod
Ludwigs des Frommen verfasste und als einziger der zeitgenössischen Histo-
riographen „offenbar in einem Loyalitätsverhältnis"186 zu Lothar stand, wertet,
sicherlich beeinflusst durch sein Wissen um Ludwigs Absetzung 833, bereits die
Ereignisse des Frühjahrs 830 als Aufstand gegen den Kaiser. Dabei thematisiert
er explizit die vermeintlich hehren Motive der Verschwörer und identifiziert sie
als frevelhafte Bemäntelung der Tatsache, dass es ihnen, d. h. den Großen und
namentlich Pippin, in Wahrheit um die Mehrung des eigenen Vorteils gegangen
sei.187
In Hinblick auf die Frage nach den Motiven der Auf stände und konkret des
Ehebruchsvorwurfs gegen Judith stehen sich demnach zwei grundsätzlich un-
terschiedliche Erklärungen gegenüber. Während die aus Sicht der Aufständi-
schen geschriebenen Quellen die altruistische Begründetheit deren Handelns
hervorheben, werden in der pro-kaiserlichen Geschichtsschreibung direkt oder
indirekt eigennützige, egoistische Motive als Erklärung für den Aufstand gegen
den göttlich legitimierten Herrscher herangezogen. In Max Webers Verständnis'
sozialen Handelns,zweckrational' sind dabei beide Argumentationen, wobei die
der Aufständischen zusätzlich die hinter ihrem Handeln stehenden Werte betont
wissen möchte und zumindest ein mit Weber eindeutig ,wertrationales' Argu-
ment188 enthält: dass nämlich der Bruch einer Ehe, insbesondere einer Herr-
184 Z. B. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, ed. Dümmler, II, c. 8, S. 68: [...] voluit [d. i. Wala],
et resistere profide regni et regis [...], c. 10, S. 73: Talis quippe est infidelitas Arsenii, falso ut opinantur
[...].
185 Z. B. Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenii, ed. Dümmler, II, c. 19, S. 90.
186 Tremp, Einleitung. B. Astronomus, S. 67f., Zitat S. 67; vgL noch ausführlicher ders., Die Überlie-
ferung, S.138-148.
187 Astronomus, Vita Hludowici, ed. Tremp, c. 44, S. 456: Oportere ergo, dicebant, bonum filium [d. i.
Pippin] indigneferre dedecus paternum, ablatisque e medio talibus patrem restituere et menti et dignitati,
et hec agentem non solum fama prosequeretur virtutis, sed etiam amplificatio regni terrestris - hoc
praetextentes nomine culpam; auch ebd., S. 454/456, zitiert oben Anm. 145.
188 Vgl. dazu die methodischen Überlegungen oben Kap. A.I.



