II. Der König als Kläger - der Fall ,Theutbergaz
1. Zur Herkunft Theutbergas und ihrer Rivalin Waldrada
Der Ehestreit Lothars II., des zweitgeborenen der drei Söhne Kaiser Lothars L,
erstreckte sich über mehr als ein Jahrzehnt, von ca. 857 bis zum Tod des Königs
869, und kann mit Sicherheit als größter Skandal des neunten Jahrhunderts be-
zeichnet werden.1 Anders als in den anderen hier behandelten Vorwurfsfällen
gegen königliche Gemahlinnen treten im Ehestreit Lothars II. neben dem König
gleich zwei weibliche Protagonistinnen hervor, die beide Anspruch auf die Po-
sition der Königin erhoben: Theutberga und Waldrada. Beide wurden von der
gegnerischen Partei diverser Vorwürfe bezichtigt, die ihre jeweiligen Ansprüche
untergraben sollten. Dabei war Theutberga diejenige, die der Vorwurf eines -
vereinfacht ausgedrückt - unzüchtigen Verhältnisses mit ihrem eigenen Bruder
Hukbert traf.
a. Theutberga
Theutberga entstammte der hochadligen Familie der sogenannten ,Bosoniden',
die bereits unter Lothar I. über Einfluss in Italien verfügte.2 Ihr Vater Boso scheint
relativ früh verstorben zu sein.3 Theutberga hatte mindestens drei Geschwister,
nämlich eine namentlich unbekannte Schwester (Richilde?) die den Grafen
Biwin, Laienabt von Gorze, heiratete,4 sodann einen Bruder, der den Namen des
Vaters, Boso, trug und diesem auch in der Grafenwürde nachfolgte,5 sowie einen
1 Einen Überblick über den Forschungsstand zum Ehestreit mit Literaturangaben bieten Böhrin-
ger, Einleitung, und Bauer, Rechtliche Implikationen, unter anderem S. 4, Anm. 15. VgL auch
Felten, Liebe; zuletzt ausführlich Heidecker, The divorce; zum Begriff des ,Skandals' vgl. etwa
Bösch, Öffentliche Geheimnisse, S. 2 als „breite Empörung oder Diskussion" über „bislang
tabuisierte oder geheime Norm verstoße".
2 Zu den sog. Bosoniden Poupardin, Le Royaume, S. 41-96, bes. S. 45-54; Tellenbach, Der groß-
fränkische Adel, S. 62 f.; Hlawitschka, Franken, S. 159-162, bes. S. 161; Werner, Bedeutende
Adelsfamilien, S. 116 f.; Hlawitschka, Die Anfänge, S. 158-171 (am Rande); zuletzt Bouchard, The
Bosonids, mit weiterer Literatur S. 407, Anm. 1, die, S. 408, darauf hinweist, dass der Begriff
,Bosoniden' die moderne Bezeichnung für eine Familie ist, die tatsächlich aus drei miteinander
verwandten Linien bestand, die sich nicht zwangsläufig als Einheit verstanden. Im Folgenden
wird der Begriff dennoch der Einfachheit halber ohne Anführungszeichen benutzt.
3 Vgl. zu ihm Hlawitschka, Franken, S. 161, mit Anm. 18.
4 Aus dieser Ehe gingen Boso, der spätere König der Provence, Richard (der Justitiar) sowie
Richilde, die spätere Gemahlin Karls des Kahlen, hervor, ein Stammbaum bei Heidecker, The
divorce, appendix 2, genealogy 2.
5 Zu ihm Hlawitschka, Franken, S. 158-162; zum Eheskandal um Boso und seine geflohene, ihm
untreue Ehefrau Engeltrud unten ab Anm. 296.
1. Zur Herkunft Theutbergas und ihrer Rivalin Waldrada
Der Ehestreit Lothars II., des zweitgeborenen der drei Söhne Kaiser Lothars L,
erstreckte sich über mehr als ein Jahrzehnt, von ca. 857 bis zum Tod des Königs
869, und kann mit Sicherheit als größter Skandal des neunten Jahrhunderts be-
zeichnet werden.1 Anders als in den anderen hier behandelten Vorwurfsfällen
gegen königliche Gemahlinnen treten im Ehestreit Lothars II. neben dem König
gleich zwei weibliche Protagonistinnen hervor, die beide Anspruch auf die Po-
sition der Königin erhoben: Theutberga und Waldrada. Beide wurden von der
gegnerischen Partei diverser Vorwürfe bezichtigt, die ihre jeweiligen Ansprüche
untergraben sollten. Dabei war Theutberga diejenige, die der Vorwurf eines -
vereinfacht ausgedrückt - unzüchtigen Verhältnisses mit ihrem eigenen Bruder
Hukbert traf.
a. Theutberga
Theutberga entstammte der hochadligen Familie der sogenannten ,Bosoniden',
die bereits unter Lothar I. über Einfluss in Italien verfügte.2 Ihr Vater Boso scheint
relativ früh verstorben zu sein.3 Theutberga hatte mindestens drei Geschwister,
nämlich eine namentlich unbekannte Schwester (Richilde?) die den Grafen
Biwin, Laienabt von Gorze, heiratete,4 sodann einen Bruder, der den Namen des
Vaters, Boso, trug und diesem auch in der Grafenwürde nachfolgte,5 sowie einen
1 Einen Überblick über den Forschungsstand zum Ehestreit mit Literaturangaben bieten Böhrin-
ger, Einleitung, und Bauer, Rechtliche Implikationen, unter anderem S. 4, Anm. 15. VgL auch
Felten, Liebe; zuletzt ausführlich Heidecker, The divorce; zum Begriff des ,Skandals' vgl. etwa
Bösch, Öffentliche Geheimnisse, S. 2 als „breite Empörung oder Diskussion" über „bislang
tabuisierte oder geheime Norm verstoße".
2 Zu den sog. Bosoniden Poupardin, Le Royaume, S. 41-96, bes. S. 45-54; Tellenbach, Der groß-
fränkische Adel, S. 62 f.; Hlawitschka, Franken, S. 159-162, bes. S. 161; Werner, Bedeutende
Adelsfamilien, S. 116 f.; Hlawitschka, Die Anfänge, S. 158-171 (am Rande); zuletzt Bouchard, The
Bosonids, mit weiterer Literatur S. 407, Anm. 1, die, S. 408, darauf hinweist, dass der Begriff
,Bosoniden' die moderne Bezeichnung für eine Familie ist, die tatsächlich aus drei miteinander
verwandten Linien bestand, die sich nicht zwangsläufig als Einheit verstanden. Im Folgenden
wird der Begriff dennoch der Einfachheit halber ohne Anführungszeichen benutzt.
3 Vgl. zu ihm Hlawitschka, Franken, S. 161, mit Anm. 18.
4 Aus dieser Ehe gingen Boso, der spätere König der Provence, Richard (der Justitiar) sowie
Richilde, die spätere Gemahlin Karls des Kahlen, hervor, ein Stammbaum bei Heidecker, The
divorce, appendix 2, genealogy 2.
5 Zu ihm Hlawitschka, Franken, S. 158-162; zum Eheskandal um Boso und seine geflohene, ihm
untreue Ehefrau Engeltrud unten ab Anm. 296.



