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Dohmen, Linda; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [Editor]; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Ursache allen Übels: Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger — Mittelalter-Forschungen, Band 53: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51256#0215

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214

B.II. Der König als Kläger - der Fall ,Theutberga‘

vom Juni 863, die von Nikolaus I. für ungültig erklärt wurde.* * 197 Dem Papst ging
es in der Auseinandersetzung wohl vor allem um die Durchsetzung seines Au-
toritätsanspruchs als oberste Entscheidungsinstanz in allen Angelegenheiten der
Kirche, insbesondere gegenüber den fränkischen Bischöfen.198 Von Nikolaus I.
konnte Lothar kaum ein Einlenken im Ehestreit zu seinen Gunsten erhoffen,
doch auch Hadrian II. setzte nach dem Tod seines Vorgängers 867 dessen Politik
zunächst fort.199 Ob Lothar II. mit ihm längerfristig eine Einigung hätte erzielen
können, wird wohl offen bleiben müssen, denn der König verstarb plötzlich.200

4. Ziele der Vorwürfe
Während insbesondere Theutbergas Persönlichkeit und ihre eigenen Ziele trotz
ihrer prominenten Rolle im Ehestreit weitestgehend im Dunkeln bleiben, scheint
ihr Bruder Hukbert beileibe kein einfacher Zeitgenosse gewesen zu sein, sondern
vielmehr jemand, dem man die Vergewaltigung seiner eigenen Schwester
durchaus sogar zutraute,201 was zur weiten Verbreitung der Gerüchte beigetra-
gen haben könnte. Doch dass es Lothar in seinem Ehestreit tatsächlich darum
gegangen sei, ein schreckliches Verbrechen aufzuklären, scheint offenbar eben-
falls niemand der Zeitgenossen geglaubt zu haben, jedenfalls niemand der
kommentierenden Historiographen, die stattdessen dem König handfeste Ab-
sichten konstatieren.202 Ein unmittelbares Ziel, das Lothar II. in seinem mehr als
ein Jahrzehnt währenden Ehestreit verfolgte, liegt tatsächlich auf den ersten Blick
auf der Hand: Der König wollte sich von seiner Gemahlin Theutberga trennen,
um eine andere Frau, Waldrada, heiraten zu können. Um das zu erreichen,
schreckte er offenbar vor keinem Skandal zurück, denn was Lothar II. seiner

falsitatis elogio vestris sanctissimis auribus significare praesumpserit, quasi serpentinum virus, aposto-
lica abominetur auctoritas.
197 Synode von Metz, ed. Hartmann (wie oben Anm. 109), deren Akten aber nicht überliefert sind, in
der Edition daher nur Verweise auf Briefe und Geschichtswerke, die die Synode erwähnen;
Synode von Rom, ed. Hartmann (wie oben Anm. 112), bes. c. 1, S. 152 (zitiert oben Anm. 115).
198 Ausführlich Scholz, Politik, S. 188-195 bzw. S. 199; vgl. grundsätzlich Hartmann, Zur Autorität;
Schmoeckel, Der lotharische Ehestreit, S. 84 f.
199 Hadrian II., Epistolae, ed. Perels, Nr. 1 (Ende 867-Anfang 868: an Lothar II.), S. 695 ff.; vgl. Scholz,
Politik, S. 212; konkret zu Nikolaus I. siehe die Literatur oben Anm. 91.
200 Vgl. dazu oben Anm. 128.
201 So explizit Heidecker, The divorce, S. 68: „But we can certainly not rule out the possibility that the
accusation of incest was true and that Hucbert had indeed sexually abused his sister Theutberga.
Hucbert [...] was well known as a violent, aggressive, and sexually debauched individual"; dazu
ausführlicher unten ab Anm. 286.
202 Annales Bertiniani, edd. Grat - Vielliard - Clemencet, a. 862, S. 93 (zitiert oben Anm. 104);
Annales Fuldenses, ed. Kurze, a. 863, S. 57: [...] quod dimissa uxore legitima alteram duxit [...];
Annales Xantenses, ed. von Simson, a. 861, S. 19: Et Lotharius rex Ripuariorum legitimam uxorem
suam, sororem Hugberti clerici, iniusta occasione reliquit.[...]. Rex vero concubina, cuius amore uxorem
reliquit, publice usus est; vgl. auch Regino, Chronicon, ed. Kurze, a. 864, S. 80 (zitiert unten Anm.
252).
 
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