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Dohmen, Linda; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [Editor]; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Ursache allen Übels: Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger — Mittelalter-Forschungen, Band 53: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51256#0237

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B.II. Der König als Kläger - der Fall ,Theutberga‘

hoffen konnte, der im Gegensatz zu Hugo in der vollgültigen Ehe eines Kö-
nigspaares zur Welt kommen sollte.330
Doch der Plan scheiterte. Möglicherweise starb der Säugling bald nach der
Geburt oder es handelte sich um ein Mädchen.331 Angesichts dieses erneuten
Rückschlages vollzog man am lotharingischen Hof eine Kehrtwendung um 180
Grad. Wenn Waldrada und Lothar schon vor 855 verheiratet waren und Lothars
Ehe mit Theutberga daher ungültig sein musste, dann war Hugo, der bislang als
illegitim galt, ein legitimer Königssohn, dessen Nachfolgehoffnungen durch
keinen Makel der Geburt geschmälert wurden.332 Es ist sicher kein Zufall, dass
Lothar II. im Mai 863 - also im unmittelbaren zeitlichen Umfeld des Argumen-
tationswechsels am Königshof als Folge des gescheiterten Nachfolgeplanes -
anlässlich einer Schenkung für das Kloster St-Pierre bei Lyon, die dem Gedenken
seiner Familie dienen sollte, ausdrücklich seine „heißgeliebte Gemahlin Wald-
rada" und seinen Sohn Hugo in diese mit einschloss.333 Ebenso wenig erscheint es
Zufall, dass Karl der Kahle ausgerechnet im November 862, als die Nachricht von
einer erneuten Schwangerschaft Waldradas gerade die Runde gemacht haben
könnte, Lothar wegen seines Ehestreits kritisierte.334 Die Nachfolgefrage war
demnach bereits 862/863 ein wichtiger Faktor in den machtpolitisch-strategi-
schen Überlegungen Lothars und seiner Anhänger ebenso wie seiner Gegner.

6. Fazit
Als Lothar II. 857 zum ersten Mal versuchte, sich von seiner Gemahlin Theut-
berga zu trennen, war diese Verbindung noch keine zwei Jahre alt. Die kursie-
rende Begründung, Theutberga habe vor der Ehe ein widernatürliches sexuelles
Verhältnis zu ihrem eigenen Bruder unterhalten, erscheint dem modernen Be-
trachter an den Haaren herbeigezogen und mit all ihren widersprüchlichen

330 Georgi, Erzbischof Gunthar von Köln und die Konflikte, S. 16.
331 Zu Waldradas namentlich bezeugten Töchtern Bertha, Gisela und Irmingard oben bei Anm. 318
und 319. Brandenburg, Die Nachkommen, S. 87, Anm. 8, datiert Berthas Geburt auf ca. 863 (in
Anbetracht des Datums ihrer Heirat und der Geburt ihrer Söhne). Dem schließt sich Georgi,
Erzbischof Gunthar von Köln und die Konflikte, S. 17, an, der Bertha - und nicht Irmingard - auf
fol. 42r des Liber memorialis Romaricensis, edd. Hlawitschka - Schmid - Tellenbach, fälschli-
cherweise als fehlend ansieht, s.o. Anm. 318. Alles in allem könnte jede der drei Töchter oder
auch ein weiteres Kind 863 geboren worden sein.
332 VgL Georgi, Erzbischof Gunthar von Köln und die Konflikte, S. 16-19. Zum Brief des Adventius
von Metz, der diesen Argumentationswechsel dokumentiert, oben Anm. 7; vgl. auch einen Brief
Gunthars und Thietgauds an Nikolaus I., überliefert in Hinkmars Annales Bertiniani, edd. Grat -
Vielliard - Clemencet, a. 864, S. 110, (c. 7). Vgl. zu diesem Argumentationswechsel Heidecker, The
divorce, S. 110-126.
333 D Lo II19 (Lyon, 18. Mai 863), S. 414ff., S. 415: [...] ad remunerationem praefatorum piissimorum
principum [das sind Lothars Eltern sowie seine Brüder Ludwig II. und Karl, der zum Zeitpunkt
der Schenkung gerade in besagtem Kloster verstorben war] atque salvationem amantissimae con-
iugis nostrae Uualdradae etfilii nostri Ugonis [...].
334 Vgl. oben Anm. 108 und Anm. 183.
 
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