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B.III. Der Kompromiss - der Fall ,Richgard‘
macht. Wenn dabei konkret ein Liebhaber genannt wird, ist dies der Bischof von
Vercelli. Von Karls Keuschheitsbekenntnis ist hingegen keine Rede.86
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die im elsässischen Raum gepflegte
Überlieferung allein auf Reginos Chronik beruht. Allerdings könnte dessen Be-
richt von den bereits kursierenden Erzählungen über das Leben der prominenten
Klostergründerin und Kaiserin - Richgard war zu dem Zeitpunkt, als Regino
seine Chronik verfasste, wahrscheinlich gerade verstorben87 - inspiriert worden
sein.88
3. Urheber der Kirebener Ereignisse
a. Karllll.
Karl III. selbst tritt in Reginos Bericht als Hauptakteur auf. Er sei es gewesen, der
Liutward, „nachdem er des Ehebruchs angeklagt wurde", verstoßen und Rich-
gard in contionem gerufen habe. Doch war er es demnach auch, der den Verdacht
gegen die beiden erhob? Aus der Formulierung obiecto adulterii crimine geht das
nicht hervor, da der im Passiv versteckte Agens der Partizipialkonstruktion nicht
zwangsläufig mit dem Subjekt des Hauptsatzes, Karl, identisch sein muss.
Vielmehr betont Regino im gleichem Atemzug, dass es sich bei Liutward um
einen dem Kaiser sehr teuren Mann gehandelt habe und dessen einzigen Rat-
geber in Angelegenheiten der öffentlichen Verwaltung. Das legt vielmehr die
Vermutung nahe, dass der Verdacht bzw. der Vorwurf des Ehebruchs ur-
sprünglich nicht von Karl ausging, sondern vielmehr an ihn herangetragen
wurde. In Bezug auf die Konsequenzen des Vorwurfs inszeniert Regino jedoch
den Kaiser eindeutig als den alleinigen Handelnden.
Tatsächlich restituierte Karl im Spätherbst 887 in Waiblingen als eine seiner
letzten Amtshandlungen Liutwards Neffen Adalbert Besitzungen, die der im
86 Deutsche Kaiserchronik, ed. Schröder, S. 360-362, Z. 15414-15523, bes. Z. 15460-15471: [Rede
Karls] 'ist ez als ich vernomen hem,/ so hast du unrehte gevarn:/ du phlegest unrehter minnen./ waz
lohtest du dem riche ze ainer chuniginne?/ 'hau ich, herre', sprach si, 'daz getan,/ sd sol ich den lip von
rehte verlorn hän.l des wil ich ze rehte dingen:/ mit gote sol ich ez überwinden./ ich getrüwe gote iemer
deste baz:/ wände Susanna genas! vor bösen lugenxren;/ der gedenke auch min armer sun teeren'; Jakob
Twinger von Königshofen, Chronik, ed. Hegel, S. 414: Zu den selben ziten hatte dirre keyser einen
argwon ufsin wip sant Richart, das sü solle ir e gebrochen haben mit dem bischove von Verzolle, wan sü
ime heimelich was. do entschuldigete sü sich, das sü [...] noch eine reine maget were. und das bewerte sü
domitte, das sü ein gewihsset hemede ane det und domit ging in ein für und bleip unversert in demfüre;
Richardissequenz, ed. Mone, S. 492: Tanquam aurum es probata,/ nec uxor adulterata,/ psallens igne
gratularis;/ spreto maritali nexu/ perennem sponsum amplexu/ novo cantu comitaris, vgL Barth, Die
heilige Kaiserin Richardis, S. 60 f., S. 58-63, mit weiteren Beispielen.
87 Zur Datierung der Chronik Reginos von Prüm auf 900-908 vgL zuletzt MacLean, Introduction, S.
9f.; zu Richgards Tod nach 887, aber wahrscheinlich an einem 18. September vor 900, vielleicht
894 oder 896, Barth, Die heilige Kaiserin Richardis, S. 17.
88 Auch an anderer Stelle scheint Regino mündliche Überlieferung verwertet zu haben, vgl. Wer-
ner, Zur Arbeitsweise, S. 97, mit Anm. 4 und 5, S. 99; Schleidgen, Die Überlieferungsgeschichte,
S. 3, mit Anm. 11.
B.III. Der Kompromiss - der Fall ,Richgard‘
macht. Wenn dabei konkret ein Liebhaber genannt wird, ist dies der Bischof von
Vercelli. Von Karls Keuschheitsbekenntnis ist hingegen keine Rede.86
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die im elsässischen Raum gepflegte
Überlieferung allein auf Reginos Chronik beruht. Allerdings könnte dessen Be-
richt von den bereits kursierenden Erzählungen über das Leben der prominenten
Klostergründerin und Kaiserin - Richgard war zu dem Zeitpunkt, als Regino
seine Chronik verfasste, wahrscheinlich gerade verstorben87 - inspiriert worden
sein.88
3. Urheber der Kirebener Ereignisse
a. Karllll.
Karl III. selbst tritt in Reginos Bericht als Hauptakteur auf. Er sei es gewesen, der
Liutward, „nachdem er des Ehebruchs angeklagt wurde", verstoßen und Rich-
gard in contionem gerufen habe. Doch war er es demnach auch, der den Verdacht
gegen die beiden erhob? Aus der Formulierung obiecto adulterii crimine geht das
nicht hervor, da der im Passiv versteckte Agens der Partizipialkonstruktion nicht
zwangsläufig mit dem Subjekt des Hauptsatzes, Karl, identisch sein muss.
Vielmehr betont Regino im gleichem Atemzug, dass es sich bei Liutward um
einen dem Kaiser sehr teuren Mann gehandelt habe und dessen einzigen Rat-
geber in Angelegenheiten der öffentlichen Verwaltung. Das legt vielmehr die
Vermutung nahe, dass der Verdacht bzw. der Vorwurf des Ehebruchs ur-
sprünglich nicht von Karl ausging, sondern vielmehr an ihn herangetragen
wurde. In Bezug auf die Konsequenzen des Vorwurfs inszeniert Regino jedoch
den Kaiser eindeutig als den alleinigen Handelnden.
Tatsächlich restituierte Karl im Spätherbst 887 in Waiblingen als eine seiner
letzten Amtshandlungen Liutwards Neffen Adalbert Besitzungen, die der im
86 Deutsche Kaiserchronik, ed. Schröder, S. 360-362, Z. 15414-15523, bes. Z. 15460-15471: [Rede
Karls] 'ist ez als ich vernomen hem,/ so hast du unrehte gevarn:/ du phlegest unrehter minnen./ waz
lohtest du dem riche ze ainer chuniginne?/ 'hau ich, herre', sprach si, 'daz getan,/ sd sol ich den lip von
rehte verlorn hän.l des wil ich ze rehte dingen:/ mit gote sol ich ez überwinden./ ich getrüwe gote iemer
deste baz:/ wände Susanna genas! vor bösen lugenxren;/ der gedenke auch min armer sun teeren'; Jakob
Twinger von Königshofen, Chronik, ed. Hegel, S. 414: Zu den selben ziten hatte dirre keyser einen
argwon ufsin wip sant Richart, das sü solle ir e gebrochen haben mit dem bischove von Verzolle, wan sü
ime heimelich was. do entschuldigete sü sich, das sü [...] noch eine reine maget were. und das bewerte sü
domitte, das sü ein gewihsset hemede ane det und domit ging in ein für und bleip unversert in demfüre;
Richardissequenz, ed. Mone, S. 492: Tanquam aurum es probata,/ nec uxor adulterata,/ psallens igne
gratularis;/ spreto maritali nexu/ perennem sponsum amplexu/ novo cantu comitaris, vgL Barth, Die
heilige Kaiserin Richardis, S. 60 f., S. 58-63, mit weiteren Beispielen.
87 Zur Datierung der Chronik Reginos von Prüm auf 900-908 vgL zuletzt MacLean, Introduction, S.
9f.; zu Richgards Tod nach 887, aber wahrscheinlich an einem 18. September vor 900, vielleicht
894 oder 896, Barth, Die heilige Kaiserin Richardis, S. 17.
88 Auch an anderer Stelle scheint Regino mündliche Überlieferung verwertet zu haben, vgl. Wer-
ner, Zur Arbeitsweise, S. 97, mit Anm. 4 und 5, S. 99; Schleidgen, Die Überlieferungsgeschichte,
S. 3, mit Anm. 11.



