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B.III. Der Kompromiss - der Fall ,Richgard‘
Bernhard-Plan, der mit der Absage des Papstes stark gefährdet worden war,
erneut scheitern.221
6. Fazit
Als Karl III. sich im Juni 887, nur wenige Monate vor seinem Sturz, im Beisein
nahezu aller, die in seinem Reich Rang und Namen hatten, von seinem alten
Vertrauten Liutward von Vercelli trennte, trennte er sich unmittelbar darauf auch
von seiner langjährigen Ehefrau und gekrönten Kaiserin Richgard. Beide Er-
eignisse sind unumstritten. Umstritten aber sind die Details sowie der genaue
Zusammenhang zwischen ihnen. Laut Regino von Prüm, unserem Hauptge-
währsmann, standen sowohl Liutward als auch Richgard im Verdacht, mitein-
ander Ehebruch begangen zu haben. Karl habe daraufhin Liutward abgesetzt,
seine Gemahlin wegen derselben Angelegenheit zur Rechenschaft gezogen und
in diesem Zusammenhang behauptet, seine Ehe mit ihr sei niemals vollzogen
worden. Dies habe Richgard nicht nur bestätigt, sondern gleichzeitig erklärt, sie
sei überhaupt noch Jungfrau, habe also weder mit Karl noch mit Liutward oder
sonstwem Geschlechtsverkehr gehabt. Anschließend habe sie sich in ihr Kloster
Andlau zurückgezogen. Dass der Ehebruchsvorwurf gegen Richgard und Li-
utward die Grundlage dieses Trennungsverfahrens - wie auch des Sturzes des
Erzkanzlers - bildete, kann letztlich nicht mit Bestimmtheit bewiesen werden, da
Reginos Zeugnis keine direkte Bestätigung in unabhängigen zeitgenössischen
Quellen findet. Doch lassen sich im Gegenzug auch keine überzeugenden Ar-
gumente vorbringen, um Reginos Darstellung grundsätzlich infrage zu stellen.
Daher sollte sie in jedem Fall ernst genommen werden, weshalb eine Prüfung der
möglichen Hintergründe unternommen worden ist.
Entgegen der bisherigen Forschungstendenzen konnte gezeigt werden, dass
beide Elemente des kaiserlichen Ehetrennungsverfahren - nämlich Ehebruch
und Nichtvollzug der Ehe - sich weder widersprechen noch unterschiedlichen
Kontexten angehören, sondern dass vielmehr Einiges dafür spricht, dass sie eng
miteinander verbunden waren. Die Annullierung einer Ehe war die einzig kir-
chenrechtlich gültige Art der Scheidung. Das wusste auch Karl III. spätestens
nach dem ebenso spektakulären wie ruinösen Scheidungsprozess, mit dem sein
Vetter Lothar II. seine Zeitgenossen so viele Jahre beschäftigt hatte. Es kann dem
Kaiser wohl so viel Verständnis für politische Zusammenhänge zugetraut wer-
den, dass er Lothars Fehler nicht wiederholen wollte. Stattdessen beinhaltet
Reginos Bericht Hinweise darauf, dass Karl den Kompromiss suchte und sich
Richgards Kooperation versicherte, bevor er den kühnen Schritt tat, die
Keuschheit ihrer gemeinsamen Ehe zu behaupten. Wenn dies so war, ging der
Plan auf. Anders als bei Lothar wurde Karls Ehe ohne Komplikationen getrennt.
221 VgL MacLean, Kingship, S. 167; als Option und nicht als echte Erbfolgeregelung versteht dies
bereits Poupardin, Le Royaume, S. 147.
B.III. Der Kompromiss - der Fall ,Richgard‘
Bernhard-Plan, der mit der Absage des Papstes stark gefährdet worden war,
erneut scheitern.221
6. Fazit
Als Karl III. sich im Juni 887, nur wenige Monate vor seinem Sturz, im Beisein
nahezu aller, die in seinem Reich Rang und Namen hatten, von seinem alten
Vertrauten Liutward von Vercelli trennte, trennte er sich unmittelbar darauf auch
von seiner langjährigen Ehefrau und gekrönten Kaiserin Richgard. Beide Er-
eignisse sind unumstritten. Umstritten aber sind die Details sowie der genaue
Zusammenhang zwischen ihnen. Laut Regino von Prüm, unserem Hauptge-
währsmann, standen sowohl Liutward als auch Richgard im Verdacht, mitein-
ander Ehebruch begangen zu haben. Karl habe daraufhin Liutward abgesetzt,
seine Gemahlin wegen derselben Angelegenheit zur Rechenschaft gezogen und
in diesem Zusammenhang behauptet, seine Ehe mit ihr sei niemals vollzogen
worden. Dies habe Richgard nicht nur bestätigt, sondern gleichzeitig erklärt, sie
sei überhaupt noch Jungfrau, habe also weder mit Karl noch mit Liutward oder
sonstwem Geschlechtsverkehr gehabt. Anschließend habe sie sich in ihr Kloster
Andlau zurückgezogen. Dass der Ehebruchsvorwurf gegen Richgard und Li-
utward die Grundlage dieses Trennungsverfahrens - wie auch des Sturzes des
Erzkanzlers - bildete, kann letztlich nicht mit Bestimmtheit bewiesen werden, da
Reginos Zeugnis keine direkte Bestätigung in unabhängigen zeitgenössischen
Quellen findet. Doch lassen sich im Gegenzug auch keine überzeugenden Ar-
gumente vorbringen, um Reginos Darstellung grundsätzlich infrage zu stellen.
Daher sollte sie in jedem Fall ernst genommen werden, weshalb eine Prüfung der
möglichen Hintergründe unternommen worden ist.
Entgegen der bisherigen Forschungstendenzen konnte gezeigt werden, dass
beide Elemente des kaiserlichen Ehetrennungsverfahren - nämlich Ehebruch
und Nichtvollzug der Ehe - sich weder widersprechen noch unterschiedlichen
Kontexten angehören, sondern dass vielmehr Einiges dafür spricht, dass sie eng
miteinander verbunden waren. Die Annullierung einer Ehe war die einzig kir-
chenrechtlich gültige Art der Scheidung. Das wusste auch Karl III. spätestens
nach dem ebenso spektakulären wie ruinösen Scheidungsprozess, mit dem sein
Vetter Lothar II. seine Zeitgenossen so viele Jahre beschäftigt hatte. Es kann dem
Kaiser wohl so viel Verständnis für politische Zusammenhänge zugetraut wer-
den, dass er Lothars Fehler nicht wiederholen wollte. Stattdessen beinhaltet
Reginos Bericht Hinweise darauf, dass Karl den Kompromiss suchte und sich
Richgards Kooperation versicherte, bevor er den kühnen Schritt tat, die
Keuschheit ihrer gemeinsamen Ehe zu behaupten. Wenn dies so war, ging der
Plan auf. Anders als bei Lothar wurde Karls Ehe ohne Komplikationen getrennt.
221 VgL MacLean, Kingship, S. 167; als Option und nicht als echte Erbfolgeregelung versteht dies
bereits Poupardin, Le Royaume, S. 147.



