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Dohmen, Linda; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [Editor]; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Ursache allen Übels: Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger — Mittelalter-Forschungen, Band 53: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51256#0300

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4. Die Beteiligten und ihre Motive

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lassen.56 Wenn aber jemand des Treubruchs an Ludwig dem Kind unverdächtig
war, dann dessen Mutter Uta, für die der Sohn der wichtigste Garant ihrer
Stellung im Reich nach Arnulfs Tod war.57 Die Nachrichten des bayerischen
Annalisten und Hermanns von Reichenau deuten vielmehr daraufhin, dass
Arnulf von anderer Seite Gefahr für sich selbst und seinen kleinen Sohn erwar-
tete. Es ist letztlich nicht völlig auszuschließen, dass er im Jahr 899 seine Meinung
änderte und angesichts der um Uta kursierenden Ehebruchsgerüchte selbst ihre
Unschuld an seiner Krankheit durch Reinigungseid bewiesen haben wollte, der
Hauptkläger im Verfahren gegen seine Frau scheint er aber nicht gewesen zu
sein.
Falls es einen solchen Kläger gab, ist er nicht überliefert. Der Bericht des
bayerischen Annalisten lässt vielmehr offen, ob überhaupt ein Kläger auftrat
oder ob die große Reichsversammlung von Regensburg im Interesse des Kaisers
und der Verdächtigten auf die im Raum stehenden Vorwürfe reagierte und Uta
auf diese Weise die Gelegenheit verschaffte, sich von den Verdächtigungen zu
reinigen. Die Frage bleibt jedoch bestehen, woher diese Gerüchte kamen.

4. Die Beteiligten und ihre Motive
Falls die Gerüchte gezielt gestreut wurden, können die möglichen Urheber nur
indirekt über ihre Motive ergründet werden. Welche Ziele könnten hinter der
Erhebung von Ehebruchsvorwürfen gegen Uta gestanden haben? Neben der
Möglichkeit, dass die Untreue der Königin einen Schatten auf die Idoneität des
Herrschers werfen und deshalb auch gezielt gegen ihn verwertet werden konnte,
traf der härteste Schlag sicherlich die Angeklagte selbst.58 Könnten die Gerüchte
daher mit der Absicht verbreitet worden sein, Utas Einfluss auf Arnulf und nach
seinem Tod auf den minderjährigen Ludwig zu mindern bzw. sie völlig auszu-
schalten?

56 Hermann, Chronicon, ed. Pertz, a. 897, S. 111: Arnolfus Imperator, habito conventu, nulli fidens,
sacramentum fidelitatis denuo sibi et filio parvulo Ludowico a cunctis exigit. Dazu Offergeld, Reges
pueri, S. 521 f., mit Anm. 705.
57 Dazu allgemein Stafford, Sons, bes. S. 88-93; dies., Queens, S. 143-174, bes. S. 171.
58 Da keine der des Ehebruchs angeklagten frühmittelalterlichen Königinnen dessen auch wirklich
überführt wurde, kann nur vermutet werden, was in einem solchen Fall mit Uta geschehen wäre.
Ein Scheitern des Reinigungseides wäre für sie einem Fiasko gleichgekommen, vor allem in
Anbetracht des schlechten Gesundheitszustands des Kaisers und der Rolle, die ihr dabei hätte
zugewiesen werden können. Lautete der Verdacht gegen Uta ,nur' auf Ehebruch, musste sie
wohl nicht unmittelbar um ihr Leben fürchten, doch eine Fortsetzung ihres ehelichen Zusam-
menlebens mit Arnulf wäre nur schwer denkbar gewesen, vgl. dazu oben Kap. A.II. Auf jeden
Fall hätten sie eine schwere Buße und ein dramatischer Verlust ihres öffentlichen Ansehens
erwartet. Bei versuchtem Herrschermord hingegen war Hinrichtung zumindest eine greifbare
Option, wie das Vorgehen gegen die Gramann-Gruppe zeigt.
 
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