324
B.V. Auswirkungen der Individualsukzession - der Fall ,Emma‘
4. Ziele der Vorwürfe und Motive der Betetiligten
a. Karls Bruch mit Lothar und seine Verbannung
Was aber sind die Hintergründe dieser ungewöhnlich harten Gegnerschaft Karls
zu seiner Schwägerin und dem Bischof von Laon, die fast ein ganzes Leben lang
währte? Das erste Aufkommen der Vorwürfe um Emma und Adalbero fällt
zeitlich zusammen mit Karls Verbannung vom Hof seines Bruders. Greifbar wird
der Bruch innerhalb der karolingischen Familie in der Belehnung Karls mit dem
Herzogtum (Nieder-) Lothringen durch Otto II., die nach Sigebert von Gembloux
gemeinhin auf das Frühjahr 977 datiert wird.* * * * * 63 Allerdings ist Sigeberts Chro-
nologie nicht immer genau, so dass Karls Seitenwechsel auch im Frühsommer
des folgenden Jahres stattgefunden haben könnte, als sich Kaiser Otto II. und
und seine Gemahlin Theophanu erneut in der Region aufhielten.64 Dann erhielte
auch der plötzliche Überfall Lothars auf Aachen im Sommer 978 einen konkreten
Anlass. Fest steht allerdings nur, dass sich Karl beim offenen Ausbruch der
Feindlichkeiten zwischen Kaiser und westfränkisch-französischem König als
neuer Herzog von Niederlothringen unter den Gegnern seines Bruders befand.65
Von Bedeutung ist diese Datierungsfrage in Bezug auf den Zusammenhang
zwischen Karls Exil und seinem Vorgehen gegen Emma und Adalbero. War seine
Verbannung vom Hof die Folge seiner Äußerungen bezüglich Emmas und
Adalberos Affäre, oder war es vielmehr umgekehrt diese Verbannung, die ihn
dazu veranlasste, aus Rache gegen die beiden vorzugehen, weil er sie für sein Exil
verantwortlich machte? Solche Überlegungen werden nicht nur durch die zeit-
liche Koinzidenz der Ereignisse nahegelegt - ein kausaler Zusammenhang wird
bereits in zeitgenössischen Quellen hergestellt. Laut Richer von Reims nämlich
machte Karl das Treiben der Königin dafür verantwortlich, dass er von seinem
Bruder verstoßen worden sei.66
vintia vestra velut hostem propulsare nisi estis, amicorum corum vestrorum H. regine et episcopi A.
meminisse debuistis, et si velut amicum in regnum sublimare, nichilominus eorum oblivisci non oportuit
simulque apud infidos maleficia beneficiis non superari; vgL auch ihre eigenen Klagen, ebd., Nr. 147
(Dez. 988), S. 173f.: Emma an einen Priester, S. 1731.: Acerba sunt haec tempora, sacerdos Domini,
quibus sanctissima fides tisquequaque rarescit.
63 Sigebert, Chronica, ed. Bethmann, S. 352: Ducatus Lotharingiae datur Karolo, fratri Lotharii regis
Francorum, multis insuper conducto beneficiis, ut et ipse ab insolentiis desistat, et fratris sui Lotharii
motibus obsistat. Da Otto II. ab dem 21.5. für den Rest des Jahres in Sachsen und Bayern bezeugt
ist, kommt nur die erste Jahreshälfte als Zeitpunkt der Belehnung in Frage, als der Kaiser in den
Monaten Januar, Februar, März, und Mai in Niederlothringen weilte, RI II, 2 Nrr. 730-758a.
Insbesondere hielt er sich im Mai in Diedenhofen auf, wo auch Bischof Dietrich von Metz und
Herzog Friedrich von Oberlothringen erschienen, vgL Uhlirz, Jahrbücher, S. 86.
64 RI II, 2 Nrr. 769b-770a. Zu den Unsicherheiten in Sigeberts Chronologie Mohr, Geschichte 1, S. 49.
65 VgL Gesta pontificum Cameracensium, ed. Bethmann, I, c. 101, S. 443: [...] Karolum ducem, regis
Lotharii fratrem, quem Otto imperator multis beneficiis conductum, ut fraternis motibus secum fortior
resisteret, citeriori Lotharingiae sub se profecerat. Vgl. dazu Kienast, Deutschland 1, S. 88 f.
66 Dabei scheint der Reimser Mönch betonen zu wollen, dass es sich hierbei lediglich um Karls
Auffassung der Zusammenhänge gehandelt habe: Richer, Historiae, ed. Hoffmann, IV, c. 16,
B.V. Auswirkungen der Individualsukzession - der Fall ,Emma‘
4. Ziele der Vorwürfe und Motive der Betetiligten
a. Karls Bruch mit Lothar und seine Verbannung
Was aber sind die Hintergründe dieser ungewöhnlich harten Gegnerschaft Karls
zu seiner Schwägerin und dem Bischof von Laon, die fast ein ganzes Leben lang
währte? Das erste Aufkommen der Vorwürfe um Emma und Adalbero fällt
zeitlich zusammen mit Karls Verbannung vom Hof seines Bruders. Greifbar wird
der Bruch innerhalb der karolingischen Familie in der Belehnung Karls mit dem
Herzogtum (Nieder-) Lothringen durch Otto II., die nach Sigebert von Gembloux
gemeinhin auf das Frühjahr 977 datiert wird.* * * * * 63 Allerdings ist Sigeberts Chro-
nologie nicht immer genau, so dass Karls Seitenwechsel auch im Frühsommer
des folgenden Jahres stattgefunden haben könnte, als sich Kaiser Otto II. und
und seine Gemahlin Theophanu erneut in der Region aufhielten.64 Dann erhielte
auch der plötzliche Überfall Lothars auf Aachen im Sommer 978 einen konkreten
Anlass. Fest steht allerdings nur, dass sich Karl beim offenen Ausbruch der
Feindlichkeiten zwischen Kaiser und westfränkisch-französischem König als
neuer Herzog von Niederlothringen unter den Gegnern seines Bruders befand.65
Von Bedeutung ist diese Datierungsfrage in Bezug auf den Zusammenhang
zwischen Karls Exil und seinem Vorgehen gegen Emma und Adalbero. War seine
Verbannung vom Hof die Folge seiner Äußerungen bezüglich Emmas und
Adalberos Affäre, oder war es vielmehr umgekehrt diese Verbannung, die ihn
dazu veranlasste, aus Rache gegen die beiden vorzugehen, weil er sie für sein Exil
verantwortlich machte? Solche Überlegungen werden nicht nur durch die zeit-
liche Koinzidenz der Ereignisse nahegelegt - ein kausaler Zusammenhang wird
bereits in zeitgenössischen Quellen hergestellt. Laut Richer von Reims nämlich
machte Karl das Treiben der Königin dafür verantwortlich, dass er von seinem
Bruder verstoßen worden sei.66
vintia vestra velut hostem propulsare nisi estis, amicorum corum vestrorum H. regine et episcopi A.
meminisse debuistis, et si velut amicum in regnum sublimare, nichilominus eorum oblivisci non oportuit
simulque apud infidos maleficia beneficiis non superari; vgL auch ihre eigenen Klagen, ebd., Nr. 147
(Dez. 988), S. 173f.: Emma an einen Priester, S. 1731.: Acerba sunt haec tempora, sacerdos Domini,
quibus sanctissima fides tisquequaque rarescit.
63 Sigebert, Chronica, ed. Bethmann, S. 352: Ducatus Lotharingiae datur Karolo, fratri Lotharii regis
Francorum, multis insuper conducto beneficiis, ut et ipse ab insolentiis desistat, et fratris sui Lotharii
motibus obsistat. Da Otto II. ab dem 21.5. für den Rest des Jahres in Sachsen und Bayern bezeugt
ist, kommt nur die erste Jahreshälfte als Zeitpunkt der Belehnung in Frage, als der Kaiser in den
Monaten Januar, Februar, März, und Mai in Niederlothringen weilte, RI II, 2 Nrr. 730-758a.
Insbesondere hielt er sich im Mai in Diedenhofen auf, wo auch Bischof Dietrich von Metz und
Herzog Friedrich von Oberlothringen erschienen, vgL Uhlirz, Jahrbücher, S. 86.
64 RI II, 2 Nrr. 769b-770a. Zu den Unsicherheiten in Sigeberts Chronologie Mohr, Geschichte 1, S. 49.
65 VgL Gesta pontificum Cameracensium, ed. Bethmann, I, c. 101, S. 443: [...] Karolum ducem, regis
Lotharii fratrem, quem Otto imperator multis beneficiis conductum, ut fraternis motibus secum fortior
resisteret, citeriori Lotharingiae sub se profecerat. Vgl. dazu Kienast, Deutschland 1, S. 88 f.
66 Dabei scheint der Reimser Mönch betonen zu wollen, dass es sich hierbei lediglich um Karls
Auffassung der Zusammenhänge gehandelt habe: Richer, Historiae, ed. Hoffmann, IV, c. 16,



