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Dohmen, Linda; Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn [Editor]; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Ursache allen Übels: Untersuchungen zu den Unzuchtsvorwürfen gegen die Gemahlinnen der Karolinger — Mittelalter-Forschungen, Band 53: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51256#0395

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394 C.I. Von starken Ehefrauen und schwachen Herrschern? - Personelle Strukturen im Vergleich

Augen der überragende Einfluss des jungen Grafen, der den Aufstand von 830
auslöste, an dessen Anfang der Ehebruchsvorwurf gegen ihn und die Kaiserin
Judith stand.
Auch Liutward von Vercelli war seinen Gegnern - in Person des Mainzer
Annalisten - zufolge zu mächtig. Allerdings ist eine überragende Stellung des
Erzkanzlers lediglich in den italienischen Urkunden Karls III. greifbar, und selbst
in diesem Zusammenhang konnte hier deutlich gemacht werden, dass Liut-
wards Stellung anders als etwa die eines Wibod von Parma in hohem Maße von
seinem Herrscher abhängig war. Regino von Prüms Formulierung, man habe
ihm vorgeworfen, mit den Geheimnissen der Königin vertrauer gewesen zu sein,
als sich ziemte, sowie die Klagen des Mainzer Annalisten machen deutlich, dass
es Liutward verstand, sich Feinde zu machen und schließlich den Bogen über-
spannte.
In Bezug auf den Bischof von Vercelli sowie den Grafen von Barcelona er-
scheint demnach die These, der Ehebruchsvorwurf diene der Entmachtung eines
zu einflussreichen Ratgebers, durchaus plausibel. Adalbero von Laon könnte
ebenfalls in dieses Schema passen, allerdings fehlen konkrete Hinweise darauf,
dass er für König Lothar von Westfranken mehr war als der Bischof seiner Re-
sidenzstadt und wohl tatsächlich ein Vertrauter der Königin. In Bezug auf
Hukbert von St-Maurice d'Agaune hingegen konnte bereits im ersten Teil der
Arbeit gezeigt werden, dass die schweren Vorwürfe, die Lothar II. gegen ihn und
seine Schwester Theutberga erhob, konkret darauf abzielten, seine Gemahlin
und seinen Schwager moralisch zu vernichten, gerade weil Lothar im Zuge
seines Herrschaftsantritts in Abhängigkeit zu einer Gruppe Großer um die so-
genannten Bosoniden geraten war und Hukbert im strategisch wichtigen Al-
penraum immer mehr außer Kontrolle geriet. Von den Zeitgenossen selbst
wurde dieser Aspekt allerdings nicht als Facette des Ehestreits thematisiert. Beim
Eheskandal der Uta ist noch nicht einmal der Name ihres Liebhabers überliefert,
stattdessen lag das Augenmerk des die Vorwürfe überliefernden Regensburger
Annalisten gänzlich auf der Person der Königin. Als Erklärung für das Ge-
samtphänomen kann demnach auch die Beobachtung, dass es sich bei den
Mitangeklagten der Königinnen um (zu) mächtig gewordene Ratgeber des
Herrschers handelte, nicht genügen.

3. Stellung der Könige und Herrschaftssituation
Neben der These, die Unzuchtsvorwürfe gegen karolingische Königinnen hin-
gen mit deren wachsenden Einfluss zusammen bzw. zielten darauf ab, einen
übermächtigen Ratgeber des Königs als Ehebrecher zu desavouieren, gilt es zu
prüfen, inwiefern die Beschuldigungen als „Mittel der Politik" insbesondere
„unter schwachen oder kranken Monarchen gebraucht" wurden, da durch sie
 
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