4. Position und Einfluss der möglichen Urheber und Vertreter der Vorwürfe
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4. Position und Einfluss der möglichen Urheber und Vertreter
der Vorwürfe
Während die beschuldigte Königin, der betrogene Ehemann und Herrscher
sowie - abgesehen vom Skandal um Uta - der angebliche oder tatsächliche
Ehebrecher in den berichtenden Quellen namentlich genannt werden, werden
Urheber der Vorwürfe oftmals nicht bzw. nicht eindeutig identifiziert. Ausnah-
me ist der Fall Judith, bei dem der Ehebruchsverdacht gegen die Königin Aus-
löser des Aufstandes gegen Ludwig den Frommen war und bei dem die Rebellen
dementsprechend mit den Urhebern der Vorwürfe gleichzusetzen sind. In an-
deren Fällen, nämlich in denen um Richgard und Emma, konnten Liutbert von
Mainz und Karl von Niederlothringen als Urheber der Gerüchte ausgemacht
werden; im Ehestreit Lothars II. war es bekanntlich dieser selbst, der seine Frau
der Unzucht beschuldigte. Beim Skandal um Uta stellten sich dahingehende
Überlegungen schwieriger dar; hier konnten zumindest mögliche Urheber der
Vorwürfe wahrscheinlich gemacht werden.
Der Frage, welche Personen für die Beschuldigungen verantwortlich waren
oder zumindest für ihre öffentliche Diskussion sorgten, kommt eine Schlüssel-
funktion bei der Suche nach den tieferliegenden Ursachen des Phänomens zu,
die bislang zu dessen Erklärung noch nicht herangezogen worden ist. Daher
sollen im Folgenden die politische Stellung dieser Personenkreise am Herrsch-
erhof sowie ihr Verhältnis zum König, seiner Gemahlin und ihrem vermeintli-
chen Liebhaber weiter konkretisiert werden.
a. Die Aufständischen von 830 und 833
Im Frühjahr 830 war es eine Koalition weltlicher und geistlicher Großer um Wala
von Corbie und die abgesetzten Grafen Hugo und Matfrid, die sich zum Handeln
gegen die Kaiserin Judith und Graf Bernhard von Barcelona entschloss. Dafür
konnten sie auch die Königssöhne Lothar und Pippin gewinnen. Die Aufstän-
dischen gehörten zur obersten Führungsriege des Reiches - sie waren es gewe-
sen, die die Politik Ludwigs des Frommen in den 820er Jahren maßgeblich ge-
tragen hatten.
So hatte sich Wala, ein Vetter Karls des Großen und enger Berater, zunächst
zwar mit dessen Sohn und Nachfolger Ludwig überworfen, aber nachdem er
sich 822 anlässlich der Kirchenbuße des Kaisers mit diesem versöhnt hatte, war
Wala erneut ein wichtiger Einflussfaktor bei Hof geworden.420 Davon zeugen
insbesondere Briefe Erzbischof Agobards von Lyon an ihn und Abt Hilduin von
St-Denis bzw. Abt Helisachar und Walas Bruder Adalhard.421 Agobard ver-
420 Zu Walas Lebensweg vgl. Weinrich, Wala, hier zur Kirchenbuße von 822 S. 37 ff.; Depreux, Pro-
sopographie, S. 390-393.
421 Agobard, De baptismo mancipiorum ludaeorum (ad Adalardum, Walam et Helisacharum), ed.
van Acker, in: Agobardi Lugdunensis Opera omnia, Nr. 6, S. 113-117; ders., Contra praeceptum
impium de baptismo ludaicorum mancipiorum (ad Hilduinum et Walam), ed. van Acker, ebd.,
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4. Position und Einfluss der möglichen Urheber und Vertreter
der Vorwürfe
Während die beschuldigte Königin, der betrogene Ehemann und Herrscher
sowie - abgesehen vom Skandal um Uta - der angebliche oder tatsächliche
Ehebrecher in den berichtenden Quellen namentlich genannt werden, werden
Urheber der Vorwürfe oftmals nicht bzw. nicht eindeutig identifiziert. Ausnah-
me ist der Fall Judith, bei dem der Ehebruchsverdacht gegen die Königin Aus-
löser des Aufstandes gegen Ludwig den Frommen war und bei dem die Rebellen
dementsprechend mit den Urhebern der Vorwürfe gleichzusetzen sind. In an-
deren Fällen, nämlich in denen um Richgard und Emma, konnten Liutbert von
Mainz und Karl von Niederlothringen als Urheber der Gerüchte ausgemacht
werden; im Ehestreit Lothars II. war es bekanntlich dieser selbst, der seine Frau
der Unzucht beschuldigte. Beim Skandal um Uta stellten sich dahingehende
Überlegungen schwieriger dar; hier konnten zumindest mögliche Urheber der
Vorwürfe wahrscheinlich gemacht werden.
Der Frage, welche Personen für die Beschuldigungen verantwortlich waren
oder zumindest für ihre öffentliche Diskussion sorgten, kommt eine Schlüssel-
funktion bei der Suche nach den tieferliegenden Ursachen des Phänomens zu,
die bislang zu dessen Erklärung noch nicht herangezogen worden ist. Daher
sollen im Folgenden die politische Stellung dieser Personenkreise am Herrsch-
erhof sowie ihr Verhältnis zum König, seiner Gemahlin und ihrem vermeintli-
chen Liebhaber weiter konkretisiert werden.
a. Die Aufständischen von 830 und 833
Im Frühjahr 830 war es eine Koalition weltlicher und geistlicher Großer um Wala
von Corbie und die abgesetzten Grafen Hugo und Matfrid, die sich zum Handeln
gegen die Kaiserin Judith und Graf Bernhard von Barcelona entschloss. Dafür
konnten sie auch die Königssöhne Lothar und Pippin gewinnen. Die Aufstän-
dischen gehörten zur obersten Führungsriege des Reiches - sie waren es gewe-
sen, die die Politik Ludwigs des Frommen in den 820er Jahren maßgeblich ge-
tragen hatten.
So hatte sich Wala, ein Vetter Karls des Großen und enger Berater, zunächst
zwar mit dessen Sohn und Nachfolger Ludwig überworfen, aber nachdem er
sich 822 anlässlich der Kirchenbuße des Kaisers mit diesem versöhnt hatte, war
Wala erneut ein wichtiger Einflussfaktor bei Hof geworden.420 Davon zeugen
insbesondere Briefe Erzbischof Agobards von Lyon an ihn und Abt Hilduin von
St-Denis bzw. Abt Helisachar und Walas Bruder Adalhard.421 Agobard ver-
420 Zu Walas Lebensweg vgl. Weinrich, Wala, hier zur Kirchenbuße von 822 S. 37 ff.; Depreux, Pro-
sopographie, S. 390-393.
421 Agobard, De baptismo mancipiorum ludaeorum (ad Adalardum, Walam et Helisacharum), ed.
van Acker, in: Agobardi Lugdunensis Opera omnia, Nr. 6, S. 113-117; ders., Contra praeceptum
impium de baptismo ludaicorum mancipiorum (ad Hilduinum et Walam), ed. van Acker, ebd.,



